Das Wien-Museum startete das Sammlungsprojekt "Corona in Wien". Welche Objekte sollen die Krise dokumentieren? Bisher wurden 1400 Fotos eingesandt. Auf der Homepage findet sich eine Auswahl.
Foto: Reinhard Beilner

Die ins Eigenheim zurückgezogenen Menschen konsumieren seit dem krisenbedingten Lockdown nicht nur vermehrt digitale Angebote, sondern produzieren diese auch stärker. "Momentan beschäftigen wir uns viel mehr mit unseren digitalen Geräten", sagt Martina Griesser. Die Leiterin der Abteilung Sammlungen im Technischen Museum Wien spricht von einer "Explosion digitaler Objekte". Um das daraus entstehende Erbe festzuhalten und für nachfolgende Generationen zu dokumentieren, gründet das Technische Museum mittels eines öffentlichen Aufrufs eine neue, digitale Sammlung.

Während andere Museen wie das Haus der Geschichte Österreich (HdGÖ), das Wien-Museum oder das Nordico Stadtmuseum Linz in den vergangenen Wochen Aufrufe starteten, Alltagsgegenstände sowie Abbilder davon als Zeitdokumente der Krise zu sammeln oder einzuschicken, widmet sich das Technische Museum unter dem Titel "10-Megabyte-Museum" den "digital born objects". Dabei handelt es sich nicht um digitalisierte Objekte wie gescannte Dokumente, sondern um genuin Digitales. Also digital komponierte Musikstücke, Handyvideos oder Datenbanken.

Griesser verwendet dafür die Bezeichnung "Digitalisat" – es sind Dateien, die nur am Computer überleben können. Herausforderungen gibt es allerdings bei der Erhaltung, da solche Daten viel Pflege erfordern und die Softwareprogramme stets aktualisiert werden müssen. "Hier lernen Museen momentan viel dazu", so Griesser. Diese digitale Erweiterung des Museums ermöglicht es Menschen, eine "digitale Flaschenpost" in die Zukunft zu schicken und so zukünftige Generationen an diese Krise zu erinnern.

Sortieren und entrümpeln

"Es ist die zentrale Aufgabe von Gesellschaftsmuseen, in der Gegenwart zu sammeln", kommentiert Monika Sommer die Initiativen der Museen. Einrichtungen, die sich mit gesellschaftlichen Themen beschäftigen, sehen sich nun in der Verantwortung, die Veränderungen im Alltag sowie die damit verbundenen Herausforderungen festzuhalten.

Dennoch hält die Direktorin des HdGÖ die aktuelle Situation für außergewöhnlich. "Dass so viele Museen zum selben Zeitpunkt und zum selben Thema der Gegenwart sammeln, gab es in der österreichischen Museumslandschaft so noch nicht." In den Zugängen unterscheiden sich die Aufrufe zwar, das Alltägliche stehe aber bei allen im Fokus. Das erste Objekt, das in die Sammlung des hdgö aufgenommen wurde, war eine Packung Toilettenpapier. "Es war die erste Reaktion auf die Krise", sagt Sommer.

Lustig darf es auch sein: Die Zugänge der Sammlungs-Aufrufe sind zwar unterschiedlich, beschäftigen sich aber alle mit unserem neuen Alltag.
Foto: Astrid Hrdina

Durch die aktuelle Aufmerksamkeit in der Gesellschaft gerate das museale Sammeln in Hinblick auf gesellschaftliche Entwicklungen stärker ins Bewusstsein der Menschen. Aktuell beobachtet Sommer generell eine breitere Auseinandersetzung mit der Dingkultur. Menschen beschäftigen sich mehr mit den Objekten, die sie umgeben: Was kann weg? Was ist wichtig? Dies habe sich auch bei den Einsendungen in den vergangenen vier Wochen deutlich gezeigt, weswegen das HdGÖ nun auch einen weiteren Aufruf verschickte: "Das Entrümpeln in Bildern festhalten." Hier lasse sich eine deutliche Parallele zu der Arbeit in den Museen ziehen, findet Sommer: sortieren, bewerten, abwägen und entsorgen.

Eingriff in Sammlungen

Die alltäglichen Veränderungen, denen wir momentan unterworfen sind, scheinen sich nicht nur in unseren Alltag einzuschreiben, sondern auch in die Sammlungen der Museen. Menschen können sich durch ihre aktive Beteiligung selbst in die Geschichte der Häuser eintragen.

Das Wien-Museum beispielsweise plant bereits, seine Dauerausstellung um die angesammelten Objekte zum Thema "Corona in Wien" zu erweitern. Diese soll in drei Jahren im neu sanierten Haupthaus am Karlsplatz zugänglich gemacht werden. Worauf wir dann zurückblicken werden? (Katharina Rustler, 20.4.2020)