Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) treten mit Gerry Foitik, dem Bundesrettungskommandanten des Roten Kreuzes, auf.

Foto: apa / hans punz

Franz Schnabl, Chef der SPÖ Niederösterreich und Präsident des Samariterbundes, ist vor dem Wochenende die Hutschnur geplatzt. Es sei nicht einzusehen, dass Hilfsorganisationen zum Publikum oder zu Bittstellern degradiert werden, weil "das Rote Kreuz quasi im Alleingang agiere". Monopole führten "fast immer zu Mangelsituationen und Abhängigkeiten", so Schnabl weiter. "Wir haben den Eindruck gewinnen müssen, dass wir uns – möglicherweise aus parteipolitischen Beweggründen – in der Covid-19-Krise nicht in vollem Umfang entfalten müssen."

Schnabl spielt damit auf die urösterreichische Farbenlehre des Proporzes an. In fast jedem Gesellschaftsbereich gibt es "rote" und "schwarze" (heute: "türkise") Organisationen, vom Autofahrerklub bis hin zu Fischereivereinen. Gemäß dieser Schablone ist das Rote Kreuz eher im ÖVP-Universum anzusiedeln, der Samariterbund hingegen rötlich gefärbt.

Tatsächlich sind in der aktuellen Corona-Krise vor allem ÖVP-nahe Institutionen aktiv: Die Raiffeisenbank sponserte die Krisenkommunikationskampagne des Roten Kreuzes, die von der Regierung übernommen wurde. Die Uniqa-Privatstiftung finanzierte wiederum die "Stopp Corona"-App des Roten Kreuzes.

Ärger über Zivi-Zuweisung

Johannes Bucher, Präsident der Johanniter, findet es schade, dass er und seine Organisation, die er als unparteilich beschreibt, nicht mehr so stark in die Regierungsarbeit eingebunden werden wie am Beginn der Krise. Damals hätten alle großen Hilfsorganisationen mit Ministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) über den außerordentlichen Zivildienst debattiert. Danach sei der Kreis der Hilfsorganisationen enger worden.

Zunächst habe es auch geheißen, dass die Verteilung der Zivildiener in der Krise über die zuständige Serviceagentur des Innenministeriums hätte laufen sollen. "Jetzt macht das das Rote Kreuz", sagt Bucher. "Die Verteilung der Zivildiener funktioniert aber nicht in der Qualität, wie sie von der Zivildienstserviceagentur erbracht wurde." So seien etwa ehemalige Zivis der Johanniter einer Tätigkeit in St. Pölten zugewiesen worden, obwohl sie am Wiener Stadtrand wohnen. Wie die Zivildiener verteilt werden, sei anders abgesprochen gewesen.

Auch Volkshilfe fühlt sich übergangen

Mit den Regierungsinseraten, auf denen das Rote Kreuz prominent aufscheint, hat Bucher wenig Freude. Auch wenn die Kollegen gute Arbeit leisten würden, "da gibt es schon noch viele andere, die das ebenfalls tun". Die Johanniter unterstützen das Rote Kreuz etwa bei den Abstrichen für die Corona-Tests. In der Wiener Messehalle, die zum Corona-Lazarett umfunktioniert wird, werden demnächst Samariterbund und Johanniter Seite an Seite werken. "In der Flüchtlingskrise hat die Einbindung aller Hilfsorganisationen ebenfalls gut funktioniert", sagt Bucher. "Darauf hätte man aufbauen können."

Und auch im Pflegebereich gibt es eine rote Organisation, die sich von Türkis-Grün übergangen fühlt: Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe, machte im Gespräch mit der Austria Presse Agentur seinem Unmut Luft, dass die Pflege-Expertise der Volkshilfe im Krisenstab der Regierung nicht vertreten sei. Auch deswegen habe es etwa so lange gedauert, bis die von der Volkshilfe geforderte flächendeckende Testung in Pflegeheimen umgesetzt wird, wie das Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) jetzt angekündigt hat. Unter Einbindung der Volkshilfe, glaubt Fenninger, wäre das schneller gegangen.

Lösung von roten Wurzeln

Die parteipolitische Zuordnung spielt also im Krisenmanagement der Regierung zumindest unterstellterweise eine Rolle. Dabei hat sich der Arbeiter-Samariterbund in der Zweiten Republik immer stärker von der SPÖ gelöst. Den ersten Anstoß zur Einrichtung eines Arbeitersamariterbundes in Österreich findet man in der sozialdemokratischen Zeitung Arbeiterwille vom 8. Juli 1927 – er verweist auf die Wurzeln im Schutzbund und in der Sportorganisation Askö: "Die Leitung liegt in den Händen eines Ausschusses, in den alle dem Askö angeschlossenen Organisationen je zwei Genossen entsenden, die mit dem Samariterwesen vertraut sind. Der Samariterdienst wird allen proletarischen Organisationen (Partei, freie Gewerkschaften, Asköverbände usw.) auf Anforderung Samariter zu ihren Veranstaltungen beistellen."

Gedacht war auch daran, dass in jedem Betrieb ein ausgebildeter Samariter den Betriebsrat bei der Durchsetzung von Arbeitnehmerschutzmaßnahmen unterstützen soll.

1947 wiedergegründet, löste sich der Arbeiter-Samariterbund mehr und mehr von der SPÖ, im öffentlichen Auftreten tritt die Bezeichnung "Arbeiter" zurück. 2012 wird die Trennung von der Partei unter dem Druck des Parteientransparenzgesetzes vollzogen. Die Funktionärsstruktur blieb aber weiter sozialdemokratisch. (Sebastian Fellner, Jan Michael Marchart, Conrad Seidl, 20.4.2020)