Nach Ostern öffneten wieder zahlreiche Geschäfte in Österreich ihre Tür. Viele kämpfen nichtsdestotrotz um ihr Überleben.

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Wien – Lernfähig sei die Regierung, sagte ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel, nachdem Kleinunternehmer gegen die Restriktionen des Härtefallfonds Sturm gelaufen waren. Die Richtlinien wurden daraufhin gelockert, nichtsdestoweniger sorgt der Rettungsschirm nach wie vor für Unmut. Am Montag ist die zweite Phase des Programms angelaufen, Lernfähigkeit attestieren enttäuschte Unternehmer der Regierung dabei nicht.

Fünf Wochen sind vergangen, und sie habe nach wie vor beinahe keine Unterstützung bekommen, erzählt Sophie P., Inhaberin eines Wiener Modegeschäfts. Über ein knappes Jahrzehnt habe sie den Betrieb aufgebaut, all ihr Geld und ihre Energie hineingesteckt. Bis vor dem Ausbruch der Pandemie lief das Geschäft gut, in einem normalen Frühjahresmonat verbuchte sie einen Umsatz von 160.000 Euro. Jetzt bangt die Unternehmerin um den Fortbestand ihres Betriebs.

"Ein zynischer Witz"

Tausend Euro hat P. bisher aus dem Härtefallfonds erhalten, in der zweiten Phase dürften weitere 5.000 Euro hinzukommen. "Das ist ein zynischer Witz", sagt die Unternehmerin. Mit der Gesamtfördersumme, die mit 6.000 Euro gedeckelt ist, kann sie nicht einmal eine Monatsmiete decken. Ausgaben habe sie weitaus mehr: Zu bezahlen seien die bereits bestellte Sommerkollektion, die Löhne der Mitarbeiter und nicht zuletzt auch ihr eigener Lebensunterhalt.

Auch die Kurzarbeit ist für P. keine Erleichterung – im Gegenteil: "Das ist eine Arbeitnehmerförderung und bringt uns Unternehmern nichts." Für die sieben Angestellten, die sie in Kurzarbeit schicken musste, habe sie noch keinen Cent bekommen. Was wirklich helfen würde, wäre, wenn die Regierung bis zu hundert Prozent der Löhne vorschießt, meint P. – wie auch viele andere Unternehmer. Mitarbeiter in Kurzarbeit könne sie außerdem nicht voll im Betrieb einsetzen. Aber gerade für die notwendige Umstrukturierung – wie etwa dem Aufbau eines Onlineshops – benötige sie jetzt die Arbeitskraft. Zudem ist das Geschäftslokal seit vergangenem Dienstag wieder geöffnet und muss besetzt werden.

Nicht zuletzt stellte sich der vermeintlich vereinfachte Zugang zu Krediten als schwieriger heraus als angekündigt, sagt die Unternehmerin. "Die Bedingungen ändern sich wöchentlich, es ist noch kein Geld geflossen." Mittlerweile hat P. den dritten Antrag gestellt – mit privater Haftung, wie sie erzählt.

Komplexe Berechnung

Von der sofortigen Unterstützung für Unternehmer sei jedenfalls nichts zu bemerken, meint P. Auch dass die Wirtschaftskammer (WKO) in Zeiten wie diesen weiterhin auf angehäuften Mitgliederbeiträgen sitzenbleiben würde, kann sie nicht nachvollziehen. Mit ihrer Wut ist die Wiener Unternehmerin nicht allein. In sozialen Medien wurden mittlerweile zahlreiche Seiten eingerichtet, in denen sich Betroffene über das Hilfspaket der Regierung austauschen.

Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer bei einer Pressekonferenz Anfang April. Dass die Abwicklung des Fonds über die WKO erfolgt, besorgt manche Unternehmer.
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Viel Kritik gibt es dabei für das komplizierte Berechnungsmodell für die zweite Phase des Härtefallfonds. Zudem kritisieren Selbstständige mit unregelmäßigen Einkommen, dass bereits erledigte, aber erst jetzt bezahlte Aufträge nun zur Belastungsprobe werden. An den Richtlinien beißen sich offenbar auch Experten die Zähne aus. Wie ein Steuerberater dem STANDARD erzählt, habe er sich im Rahmen der Hilfsfondsabwicklung für einen Klienten mit einer Frage an die WKO gewandt. Die Antwort der Kammer: "Wenden Sie sich an Ihren Steuerberater."

Einblick in Steuerdaten

Dass die WKO Einblick in die Steuerdaten der Unternehmen erhält, die Hilfe beim Härtefallfonds beantragen, findet nicht nur Neos-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn verfehlt. Auch der Finanzrechtsexperte Werner Doralt findet die Konstellation "unglaublich und möglicherweise verfassungswidrig. Dass das Finanzamt der Wirtschaftskammer Auskünfte gibt, geht gar nicht", sagt der emeritierte Steuerrechtsprofessor zum STANDARD.

Doralt hegt aber auch Bedenken in puncto effiziente Betrugsbekämpfung. Wären die Hilfen über die Finanzämter abgewickelt und das Finanzstrafgesetz entsprechend adaptiert worden, könnte man Missbrauch schon bei grober Fahrlässigkeit ahnden, erläutert Doralt. Dank der Konstruktion via WKO seien die Gerichte zuständig, die einen Vorsatz nachweisen müssen. "Das schaue ich mir an, dass die Wirtschaftskammer die eigenen Mitglieder anzeigt", meint der Experte. Somit fehle es an der abschreckenden Wirkung, was Missbrauch der Hilfsgelder begünstigen dürfte. (lauf, as, 21.4.2020)