Sars-CoV-2-Viren auf einer elektronenmikroskopischen Aufnahme.
Foto: Scripps Research Institute

Ende 2019 häuften sich in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan die ersten Fälle von Covid-19. Es dauerte nur wenige Tage, ehe Spekulationen darüber kursierten, dass das neue Coronavirus ein künstlich hergestellter Erreger sein könnte, der aus einem Biolabor entkommen ist. Die Gerüchte halten sich bis heute, obwohl laut Experten fast alles dagegenspricht.

So widmete sich Mitte März etwa ein Team um den schwedischen Mikrobiologen Kristian Andersen vom Scripps Research Institute genau dieser Frage auf Basis des sequenzierten Virusgenoms und einem Vergleich mit sechs anderen für Menschen infektiösen Coronaviren. Analysen zweier wichtiger Merkmale der oberflächlichen Eiweißmoleküle, mit denen das Sars-CoV-2-Virus an Wirtszellen andockt und ihnen sein Erbgut "einimpft", zeigten dabei, dass die molekularen Strukturen mit hoher Wahrscheinlichkeit das Ergebnis natürlicher Selektion und nicht das Produkt von Gentechnik sind. Darüber hinaus seien diese sogenannten Spike-Proteine nicht so optimal für menschliches Wirtsgewebe gestaltet, wie man es von einem künstlich hergestellten Virus erwarten würde.

Unlogische Grundlage für eine Biowaffe

Auch die Grundstruktur des Virus spreche gegen eine gentechnische Manipulation, wie die Wissenschafter im Fachjournal "Nature Medicine" schreiben: Die bewusste Entwicklung von Sars-CoV-2 aus einem bisher für Menschen harmlosen Erreger sei unlogisch. Für eine hochgerüstete Biowaffe wären gefährlichere Corona-Verwandte wie Sars oder Mers deutlich geeigneter.

"Wenn jemand den Versuch unternommen hätte, ein neues Coronavirus als Krankheitserreger zu entwickeln, hätte man es auf Basis eines Virus konstruiert, von dem bekannt ist, dass es Krankheiten beim Menschen verursacht", sagte Andersen. Insgesamt schließen die beiden untersuchten Merkmale des Virus – die Mutationen des Spike-Proteins und seine grundsätzliche Struktur – eine künstliche Manipulation als möglichen Ursprung für Sars-CoV-2 aus, meinten die Wissenschafter zusammenfassend. Auch frühere Studien halten eine natürliche Herkunft des Virus für wahrscheinlich.

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Neue Sars-CoV-2-Viren (gelb) treten aus einer Wirtszelle hervor.
Foto: AP/NIAID-RML

Ähnlich argumentiert Richard Ebright von der Rutgers University (New Jersey): "Aufgrund des Virusgenoms und der Eigenschaften des Erregers gibt es keinerlei Hinweis darauf, dass es sich um ein manipuliertes Virus handelt", teilte der Biochemiker in der Washington Post mit. Der Virologe Robert Garry von der Tulane University (Louisiana), Koautor der "Nature Medicine"-Studie, wiederum erklärte, das Sars-CoV-2-Virus sei fundamental anders gestaltet als etwas, das man künstlich designen würde.

Zwei Ursprungsszenarien

Auf Grundlage der Genomsequenzierungsanalyse halten die Wissenschafter daher zwei Ursprungsszenarien von Sars-CoV-2 für wahrscheinlich: Entweder das Virus entwickelte sich durch natürliche Auslese in einem tierischen Wirt, etwa einer Fledermaus, zur pathogenen Variante und sprang dann über Zwischenwirte wie Schuppentieren oder Frettchen auf den Menschen über. Oder aber ein von einem tierischen Wirt stammendes, ursprünglich nicht pathogenes Virus mutierte erst im Menschen zu einem gefährlichen Krankheitserreger.

Welche der beiden Möglichkeiten tatsächlich zutrifft, lässt sich zumindest zum jetzigen Zeitpunkt kaum mit Sicherheit sagen. Das deutlich unangenehmere Szenario wäre freilich, wenn sich Sars-CoV-2 in seiner heute verbreiteten Form bereits in einem tierischen Wirt entwickelt und dann den Menschen infiziert hat.

Mögliche Rückkehr

In diesem Fall nämlich besteht eine gute Chance, dass Sars-CoV-2 auch in Zukunft immer wieder für Covid-19-Ausbrüche sorgen wird, weil der entsprechende Virusstamm weiterhin bei den ursprünglichen tierischen Wirten zirkuliert und neuerlich auf Menschen überspringen könnte. Eine erneute gleichwertige Mutation im menschlichen Organismus scheint dagegen eher unwahrscheinlich.

Ob ein auf natürliche Weise entstandenes Sars-CoV-2-Virus unter Umständen versehentlich aus dem Wuhan Virologie-Institut entkommen ist, lässt sich mit diesen Analysen allerdings nicht beantworten. Eine aktuelle Studie anonymer Autoren hält diese Variante jedoch für zumindest möglich. (tberg, 20.4.2020)