Haare sind zur Zeit der Quarantäne ein dichter werdendes Thema. Nicht jede Gegenmaßnahme ist schön anzusehen, Memes wie diese sollen helfen, bevor nichts mehr hilft

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Die meisten von uns waren gut vorbereitet. Klopapier bis unters Dach, daneben Türme aus Nudelpackungen, Linsen- und Bohnendosen, Mehl und natürlich Germ, das Gold der Isolierten. Davon, dass das "germ" auf Englisch Keim bedeutet, ein anders Mal. Alles war gebunkert für die Quarantäne. Doch der Blick auf diese scheinbar so wesentlichen Dinge ist nach über fünf Wochen bei vielen nicht mehr so klar wie zu Beginn. Doch nicht der Geist trübt sich ein, es ist oft schlicht das wuchernde Haupthaar, das das Blickfeld verengt. Doch wer hat schon einen Friseur in der Vorratskammer? Problem.

Wochen der Quarantäne und der geschlossenen Friseursalons offenbaren nun eine Tendenz zu eitlem Übermut. Aus dem Netz apern Dokumente von unsachgemäß vollzogenen Beschneidungen des Haupthaars. Es wird ohne hässliche Bilder nicht gehen, hat jemand einmal gesagt, und tatsächlich, da sind sie: Blutige Ohrmuscheln, kahle Lichtungen, Scheitel, wo sie nicht hingehören, Stufen ins Nirgendwo. Vieles sieht aus, als sei ein Gärtner mit dem Rasenmäher Amok gefahren. Und das wird noch eine Weile so weitergehen.

Scheren und Geschorene

Denn noch steht nicht fest, wann Friseure wieder öffnen dürfen, vermutlich ab 1. Mai. Klar ist, dass ihre Dienste schon jetzt über Wochen ausgebucht sind. Das wird Verzweiflungstaten zeitigen, dem Land gar einen Schwarzmarkt der Scheren bescheren. Und jede Menge Geschorene.

Homeschooling ist eine Herausforderung, Homecutting ebenso. Doch was man dort schnell ausradieren kann, braucht hier Wochen, bis es korrigiert werden kann. Daran sollte denken, wer selbst Hand anzulegen gedenkt. Denn alles, was im Resultat mehr sein möchte als eine mit fixem Trimmerabstand gezogene Stoppelglatze – das kann jeder Hooligan –, braucht Gefühl und Übung. Beides lassen die Bilder im Netz schmerzlich vermissen, wenngleich auch Schadenfreude den asozialen Alltag versüßt.

Brandrodung? Lieber nicht

Bei manchen Bildern kommt einem Blixa Bargeld in den Sinn. Die Stimme der deutschen Band Einstürzende Neubauten soll sich in den 1980ern oft mithilfe eines Feuerzeugs die Federn zugerichtet haben. Das Resultat war eine Art Vogelnest am Rande des Kraters einer detonierten Napalmbombe. Doch nicht jeder führt den Titel Trümmer-Punk in seiner Job-Description und kommt damit im Berufsleben durch.

Als jemand, der sich über zwei Jahrzehnte selbst die Haare geschnitten hat, möchte ich ein paar meiner hart erarbeiteten Erfahrungen weitergeben. Natürlich bietet das Netz diverse Ratschläge von Fräulein Jessie und Co, und natürlich gibt es Videos zum Thema auf Youtube. Doch das meiste stammt von der Haarspitzennachschneider- und Dauerwellen-Lobby und soll der Überzeugung dienen, dass es ein Leben ohne schnittige Profis nicht gibt. Dem möchte ich entgegenhalten.

Also, Tipps von Maître Charles:

1.) Nicht alles, was schneidet, taugt fürs Haupthaar. Von der Machete und der gemeinen Papierschere ist abzuraten, und selbst bei formverwandten Locken sind Nagelschere oder -zwicker nicht zu empfehlen.

2.) Haare sind keine Thujen. Finger weg von Gartengeräten.

3.) Ein französischer Name (Pascal, Maître Charles, Gerard …) macht noch keinen Coiffeur.

4.) Haare nicht gleich nach den Aufstehen schneiden. Nicht jede Strähne, die aus der Polsterfrisur wegsteht, muss ab.

5.) Den Hinterkopf nicht nach Gefühl schneiden, einen Spiegel verwenden und zuerst üben. Ein Vokuhila ist schlimm, ein Hikuvola? Frage nicht.

6.) Ohren sind für Schere und Trimmer natürliche Hindernisse, diese auf keinen Fall beseitigen.

Sollte das jemanden wider Erwarten nicht überzeugen, bitte, auch gut. Dann nimmt man beim Gang in die Vorratskammer eben den Gummi vom Einmachglas und bändigt damit die Matte. Und eines gebe ich am Ende gerne zu, sowohl Selbstschnitt als auch Wildwuchs bergen die Gefahr, dass die soziale Isolation einer Person länger besteht, als es von der Politik verfügt wurde. (Karl Fluch, 21.4.2020)