Die Ölförderung zu stoppen ist nicht immer leicht möglich. Daher werden Quellen jetzt oft nur vorbereitet, man wartet auf bessere Preise.

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Die teils ruhende Weltwirtschaft lastet schwer auf dem Ölpreis. Die einbrechende Nachfrage führt zu einem noch nie dagewesenen Preisverfall. Der Ölpreis an der New Yorker Börse wurde erstmals zu einem negativen Preis gehandelt. Am Dienstag erreichte der Preis auf den asiatischen Märkten wieder den Positivbereich und stieg auf 1,10 Dollar pro Barrel im frühen Handel. Auch am US-Ölmarkt zeichnet sich eine Beruhigung ab. So zog der Preis für US- Leichtöl (WTI) zur Auslieferung im Juni in den frühen Handelsstunden am Dienstag um rund einen Dollar oder knapp 5 Prozent auf 21,44 Dollar (19,74 Euro) an.

Was ist passiert? Das Öl wird mit Futureskontrakten gehandelt. Am 21. April wird der Kontrakt fällig auf eine physische Öl-Lieferung im Mai. Dass der Preis in den letzten Tagen schon immer schwächer wurde, bis er kurz vor Schluss des Handels weggebrochen ist, liegt daran, dass dieses Öl niemand haben will. Der entsprechende Futures auf das US-Öl WTI notierte am Montag erstmals seit Aufnahme des Future-Handels im Jahr 1983 im negativen Bereich je Barrel (159 Liter). Der Kontrakt brach um 306 Prozent auf minus 37,63 Dollar ein – der größte Tagesverlust aller Zeiten. Mit anderen Worten: Man bekommt 37,63 Dollar, wenn man das Öl jemanden abnimmt. Europäisches Öl der Referenzsorte Brent ist für 25,84 Dollar je Fass zu haben – ein Abschlag von 8,0 Prozent.

Ausblick moderater

Die dramatische Lage für den Mai-Kontrakt zeigt, wie stark Angebot und Nachfrage derzeit auseinanderklaffen. Die Kontrakte für Juni und Juli sehen (noch) ganz anders aus. Der Futures-Kontrakt für Juni (fällig am 19. Mai) verbilligte sich um 16,5 Prozent – steht damit aber noch bei 20,43 US-Dollar, jener für Juli bei 26,18 US-Dollar. "Der Markt spiegelt damit die wieder steigende Wahrscheinlich wider, dass die Nachfrage im Sommer zurückkommt", sagt Monika Rosen-Philipp, Chefanalystin vom Private Banking der Bank Austria Unicredit.

"Der Opec-Deal hat den Absturz der Preise nur leicht verzögert, konnte ihn aber nicht verhindern", sagt erklärt Marktanalyst Milan Cutkovic vom Brokerhaus Axitrader den Preisverfall. Die großen Exportländer hatten sich vorvergangene Woche auf die Drosselung der Fördermengen ab Mai um knapp zehn Millionen Barrel pro Tag geeinigt. Die Internationale Energieagentur IEA taxiert allerdings den Nachfragerückgang durch die Beschränkungen des öffentlichen Lebens im April auf 29 Millionen Barrel pro Tag. Und ein Ende der Maßnahmen zum Schutz vor der Ausbreitung des Coronavirus ist in vielen Länder noch nicht in Sicht. So bleiben Flugzeuge am Boden, Schiffe im Hafen, und Pkws stehen.

Öltanker als schwimmende Lager

"Dies ist der größte und auch schnellste derartige Einbruch, den der Ölmarkt je verzeichnen musste", hält David Oelzant, Finanzanalyst der Raiffeisen Bank International, in einer Analyse fest. Genauso einzigartig seien auch die logistischen Auswirkungen: Die Preise für große Öltanker etwa verdreißigfachten sich zwischenzeitlich und werden sowohl für den Transport als auch als schwimmende Lager genutzt. Die Spotpreise an Binnenförderungsstätten gingen teilweise Richtung null, weil sich keine Abnehmer fanden und Lagerkapazitäten erschöpft sind, schreibt Oelzant in seiner aktuellen Ölanalyse. Und auch Raffinerien können die niedrigen Rohölpreise kaum nutzen, da die Nachfrage nach Erdölprodukten ebenso im Keller ist und manche Produkte wie Kerosin auch nur eine begrenzte Zeit lang lagerbar sind.

Lager fast voll

Anleger befürchten zudem, dass die Tanklagerkapazitäten bald erschöpft sind. In den vergangenen Wochen stiegen die US-Bestände um knapp 20 Prozent und liegen mit gut 500.000 Millionen Barrel auf dem höchsten Stand seit etwa drei Jahren. Das Rekordhoch von 2017 ist nur noch etwa 35.000 Millionen Barrel entfernt. Gleichzeitig werden eben immer mehr Tanker als schwimmende Lager genutzt. Insidern zufolge verdoppelte sich die dort geparkte Rohölmenge binnen zwei Wochen auf den Rekordwert von 160 Millionen Barrel. Experten schätzen, dass in ein bis zwei Monaten Tanks weltweit zum Überquellen gefüllt sein werden.

Die Förderung weiter zu drosseln sei aber nicht immer so einfach, erklärt Gerald Grohmann, Chef des heimischen Ölfeld-Ausrüsters Schoeller Bleckman Oilfield. Bei manchen Anlagen könne die Fördermenge zwar gedrosselt werden. "Die Gefahr ist aber, dass die Quelle beim Wiederhochfahren nicht mehr so ergiebig ist", so der Experte. Die jetzt gängigere Praxis ist laut Grohmann die, dass Ölfelder vorbereitet werden, mit der effektiven Förderung aber zugewartet werde, bis der Preis sich stabilisiert hat. Grohmann geht davon aus, dass das in der zweiten Jahreshälfte der Fall sein wird.

Die Investitionen in Material, das zur Förderung und Exploration gebraucht wird, gehen entsprechend zurück – minus 30 Prozent ist derzeit die Erwartung für 2020. SBO selbst spürt laut Grohmann den Rückgang am US-Markt am deutlichsten. Am Firmensitz in Ternitz werde hingegen das bis Jahresende volle Auftragsbuch in drei Schichten abgearbeitet. (Bettina Pfluger, 21.4.2020)