Es ist eine Geschichte, die es immer noch wert ist, erzählt zu werden. Und es ist eine Geschichte, die es jedenfalls wert war, verfilmt zu werden. An die 50 Millionen Dollar spielte das Feel-good-Movie Eddie The Eagle – für den deutschsprachigen Markt mit dem Zusatz "Alles ist möglich" versehen – weltweit ein. Im Erscheinungsjahr 2016 war er der mit Abstand erfolgreichste britische Streifen.

Faktentreue spielte nicht unbedingt eine Rolle, dafür gab Taron Egerton, auf große Ähnlichkeit getrimmt, einen grandiosen Michael "Eddie" Edwards, der als zwar talentloser, aber tollkühner Skispringer die Fantasie der Menschen derart beflügelte, dass er sich den Marketing-Spitznamen "Eagle" redlich verdiente.

Der Trailer zum Film.
20th Century Studios

In Grundzügen stimmt natürlich der Plot vom Maurer aus Cheltenham in Gloucestershire, der von Olympia träumt, in verschiedenen Sportarten grandios scheitert, aber von der Vierschanzentournee 1985/86 inspiriert seine Statur – 165 Zentimeter hoch, mehr als 80 Kilo schwer – ignoriert und sich die Skispringerei einbildet, weil die in Großbritannien nicht existent ist. "Auch dass er in Kandersteg, Schweiz, quasi als Hausmeister gearbeitet hat, um auf der dortigen Mattenanlage zu springen, kommt vor", erinnert sich Ernst Vettori, der Tourneesieger von 1986. Zusammen mit Andreas Felder und Andreas Goldberger war Vettori zur Österreichpremiere von Eddie The Eagle nach Linz geladen. Es war ein erfreuliches Wiedersehen, auch wenn die Herren vom Fach den Film natürlich nicht unvoreingenommen genießen konnten. "Da schaut man dann schon sehr auf die Kleinigkeiten, die den Sport ausmachen", sagt Vettori, der Stilist, der als einer der wenigen den Umstieg vom Parallel- zum V-Stil derart perfekt schaffte, dass er ein Siegspringer bleiben konnte.

Unterwegs zur olympischen Unsterblichkeit auf der Normalschanze: Michael "Eddie" Edwards am 14. Februar 1988 in Calgary.
Foto: imago/Sven Simon

Vettori, heute im Marketing des österreichischen Skiverbands (ÖSV) beschäftigt, unterhielt sich seinerzeit regelmäßig mit dem kuriosen Briten, der im Dezember 1986 in Oberstdorf im Weltcup debütierte, dem Geschwader der Spitzenathleten weit hinterherflatterte, aber gerade deshalb das Publikum überzeugte.

Der Tiroler Ernst Vettori bewunderte Edwards Mut.
Foto: imago images/STAR-MEDIA

Bei der WM 1987 löschte Edwards ebenfalls auf der Oberstdorfer Großschanze den damals 56 alten britischen Weitenrekord – mit einem Hüpfer auf 73,5 Meter. Dieser Bestmarke war allerdings die Fahrkarte zu den folgenden Olympischen Spielen in Calgary, die Eddie Edwards endgültig zum Weltstar machten. Der Rummel um den programmierten Letzten stieß manchen in Szene sauer auf. Ernst Vettori zählte nicht dazu, "weil ich in Calgary selbst ganz schlecht gesprungen bin, also andere Sorgen hatte". Auch für Matti Nykänen soll es kein Problem gewesen sein, obwohl der Finne zwar Gold von der Normal- und der Großschanze sowie mit der Mannschaft geholt, aber nicht annähernd die Presse des britischen Adlers hatte. "Matti gab mir praktische Tipps, vor allem aber begrüßte er, dass ich die Aufmerksamkeit auf mich zog. Er wollte springen und mochte es nicht, in Pressekonferenzen herumzusitzen und erzählen zu müssen", sagte Michael Edwards in einem Interview. Eine gemeinsame Liftfahrt wie im Film, während der der Erste und der Letzte über den Sinn ihres Tuns plaudern, habe es aber in Calgary nicht gegeben. "Matti sprach kein Englisch."

Die Autodachgeschichte ist nicht frei erfunden, der von Hugh Jackman gespielte Trainer schon.
Foto: Twentieth Century Fox

Gegeben hat es Edwards olympische Adelung während der Abschlussfeier in Calgary. Als der Chef des Organisationskomitees, Frank King, in seiner Rede den Athleten mit den Worten dankte: "Ihr habt Weltrekorde gebrochen, persönliche Bestleistungen aufgestellt, und einige von euch schwebten wie ein Adler", jubelten die 100.000 Zuschauer und skandierten "Eddie, Eddie!" Das "Dabeisein ist alles" hatte eine Verkörperung gefunden. Ein Medien-, also auch ein Werbestar war geboren.

Vermarktungsphänomen

"Es war weniger ein Sport- als ein Vermarktungsphänomen. Im Wintersport hat es so etwas bis dahin noch nie gegeben", sagt Vettori. "Er war ein sympathischer Entertainer und ist in England bis heute ein Star." Zum Spitzenskispringer habe Edwards schon wegen seiner Figur nicht getaugt. "Außerdem hat er viel zu spät angefangen. Es haben ihm auch die nötigen Grundkenntnisse im alpinen Skilauf gefehlt. Man muss ja bedenken, dass wir damals noch keine richtigen Anlaufspuren hatten." Er habe Edwards aber irgendwie bewundert, "weil es richtig mutig war, mit diesem Können zu springen."

Eddie the Eagle ist dementsprechend oft abgestürzt. Gerne erzählt er, dass er vor Calgary nur wenige noch nicht gebrochene Knochen im Leib gehabt habe. 1989 brach er sich bei einem brutalen Sturz auf dem Bergisel ob Innsbruck das Schlüsselbein. Danach zog der internationale Skiverband die Notbremse und verhinderte durch schärfere Zugangsregeln weiter Bruchlandungen des Briten. 1992 beendete Edwards seine Karriere mit einem letzten Platz bei einem Europacupspringen in Sankt Aegyd am Neuwalde, also in Niederösterreich. Im selben Jahr, nur einige Monate zuvor, wurde Ernst Vettori in Albertville Olympiasieger auf der Normalschanze – die Verfilmung steht aber noch aus. (Sigi Lützow, 21.4.2020)