Foto: Unsplash/Daniel von Appen

Wie wirkt sich die gegenwärtige Covid-19-Krise auf Wohnungs- und Immobilienmärkte aus? Um diese Frage zu diskutieren, ist es sinnvoll, erstens zwischen den Wirkungen auf den Gesamtmarkt und auf die Haushalte zu differenzieren – und zweitens sind hier für die Haushalte sowohl die wirtschaftlichen wie auch die sozialen Aspekte relevant.

Die ökonomische Ebene: Bedeutet Covid-19 das Ende des Immobilienpreisbooms?

Ob die aktuelle Krise zu einem Preisrückgang an den Immobilienmärkten führt, hängt von der Schwere und der Dauer der ökonomischen Rezession ab. In der ersten Jahreshälfte wird es vermutlich zu einem Einbruch der Immobilienverkäufe kommen, auf das hohe Preisniveau wird sich dieser Umstand jedoch kaum auswirken. Denn insgesamt sind jene Rahmenbedingungen, die bislang zu steigenden Immobilienpreisen geführt haben, unverändert: Die Fortsetzung der Niedrigzinspolitik sowie die Maßnahmen der EZB zur Stabilisierung der Wirtschaft erleichtern Investoren und Haushalten vermutlich noch mehr als bisher die Immobilienfinanzierung. Ebenso dürfte die Nachfrage auf hohem Niveau verbleiben, da das Wachstum der Städte mittelfristig anhält und Investoren – gerade in der Krise – nach sicheren Anlagemöglichkeiten suchen. Sollte die Covid-19-Rezession heuer überwunden werden, wird diese am Immobilienmarkt vermutlich keine Spuren hinterlassen.

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Anders würde es wohl aussehen, wenn Österreich und die Eurozone in eine längere Rezession geraten, es zu massiven Verwerfungen auf dem Bankensektor und dem Arbeitsmarkt kommt und die Staaten nicht mehr in der Lage sind, die sozialen Folgen abzufangen. Dann könnten massenhafte Mietausfälle, uneinbringbare Hypothekarkredite, fehlende Finanzierungsmöglichkeiten und in der Folge ein Einbruch der Immobilien-Nachfrage zu einem Markteinbruch führen. Dann wäre die Situation ähnlich, wie wir es 2009 in den USA oder in Spanien gesehen haben. Ein wenig wünschenswertes Szenario, so sehr die stark steigenden Preise der vergangenen Jahre als Belastung empfunden werden.

Haushalte: Leistbarkeit des Wohnens – ungleiche Betroffenheit

Langjährige Untersuchungen belegen, dass Immobilienmärkten ein Trend zur sozialen Ungleichheit inhärent ist – insbesondere zwischen Haushalten, die im Eigentum leben und von steigenden Immobilienpreisen und einer niedrigeren Belastung durch Wohnkosten profitieren, während Mieterhaushalte mit steigenden Mietpreisniveaus zu kämpfen haben. Dieser Aspekt wird durch die sozial sehr unterschiedliche Betroffenheit der Haushalte durch die Covid-19-Krise verstärkt: Besser gestellte Haushalte (die in den Städten häufiger im Eigentum wohnen) können eher Homeoffice-Möglichkeiten nützen und müssen weniger Einkommenseinbußen hinnehmen. Umgekehrt sind Haushalte mit niedrigem Bildungs- und Einkommensniveau stärker von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit betroffen. Die damit sinkenden Haushaltskosten führen zu einer stärkeren Belastung der Miet-/Wohnkosten.

Die soziale Dimension des Wohnens

Darüber hinaus hat Wohnen als nicht substituierbares menschliches Grundbedürfnis auch einen sozialen Aspekt: Das Wohnen ist der zentrale Punkt der alltäglichen Handlungen und Routinen. Das Wo und Wie des Wohnens beeinflusst soziale Interaktionen, und letztlich hat die Wohnzufriedenheit auch einen beträchtlichen Einfluss auf die Lebensqualität. Die ausgeprägte Ungleichheit der Wohnraumversorgung hinsichtlich Qualität (Licht, Lärmbeeinträchtigung, Frei- und Grünflächen, Nachbarschaft) wie auch Quantität (Belegungsdichte, Haushaltsgröße) wird durch die wochenlangen Beschränkungen besonders akzentuiert: Der öffentliche Raum, der für diese bestehende Ungleichheit in der Wohnraumversorgung eine wichtige Ausgleichs- und Pufferwirkung besitzt, existiert de facto nicht mehr. Wohnen kann dadurch für unterprivilegierte Gruppen zur sozialen Falle werden: "Dichtestress" schränkt die Lebensqualität ein, kann zu häuslicher Gewalt führen oder die Lern- oder Betreuungsmöglichkeiten für Kinder massiv erschweren.

Es ist anzunehmen, dass Fragen wie starke Preisanstiege, die Gefahr der Blasenbildung an den Märkten sowie das Thema der Leistbarkeit und der sozialen Ungleichheit am Immobilienmarkt, die derzeit in der medialen Aufmerksamkeit in den Hintergrund getreten sind, uns auch in Zukunft intensiv beschäftigen werden. (Robert Musil, 22.4.2020)