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Mehr als tausend Einsatzkräfte löschen die Schwelbrände in der Sperrzone rund um Tschernobyl.

Foto: State Emergency Service of Ukraine in Kiev region/Handout via REUTERS

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Rauch der Waldbrände verdunkelte die Luft der ukrainischen Hauptstadt Kiew.

Foto: REUTERS/Gleb Garanich

Das Wort "Tschernobyl" fällt im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie immer wieder. Zuletzt bezeichnete der Ex-Berater des US-Präsidenten Donald Trump, Steve Bannon, den Ausbruch des Virus als Chinas "biologisches Tschernobyl". Also einen "größten anzunehmenden Unfall", einen GAU. Doch auch im originalen Tschernobyl – jenem Kernkraftwerk in der Ukraine, dessen Reaktor Nummer 4 im April 1986 explodierte – herrscht wieder Angst vor einer Katastrophe. Denn die Brände in der Sperrzone rund um das havarierte Atomkraftwerk dürften noch nicht gelöscht sein.

Anfang April ausgebrochen, hatten sich die Feuer tagelang rasch ausgebreitet. Hunderte Einsatzkräfte, Fahrzeuge und Flugzeuge waren im Einsatz. Der Chef des ukrainischen Umweltamts, Jegor Firsow, postete ein Bild auf Facebook, das einen Geigerzähler aus dem Brandgebiet zeigte. Dazu die Nachricht: "Es gibt schlechte Nachrichten – Radioaktivität liegt über der Norm im Zentrum der Feuer." Und zwar um das 16-Fache, wie der abgebildete Geigerzähler zeigte.

Gefahr für die Menschen der rund 100 Kilometer entfernten Hauptstadt Kiew gebe es aber keine, versuchte Firsow in einem späteren Post zu beruhigen: "Ihr müsst keine Angst haben, die Fenster zu öffnen und eure Wohnungen während der Quarantäne zu lüften." Auch andere offizielle Stellen versicherten, dass außerhalb der Sperrzone die gemessene Radioaktivität unter den Grenzwerten liege.

Dicke Luft über Kiew

Am 15. April kam schließlich die erste Entwarnung: Es gebe keine lodernden Flammen mehr rund um das Atomkraftwerk, die Feuerwehr habe die Brände unter Kontrolle gebracht. Die Bevölkerung und Umweltschützer atmeten auf. Doch als am Wochenende Rauchschwaden über Kiew zogen, war klar, dass der Kampf gegen die Flammen noch nicht gewonnen war. Die ukrainische Hauptstadt war laut nationalen Medien jene Metropole mit den schlechtesten Luftwerten weltweit – aber ohne messbare Radioaktivität.

Am vergangenen Wochenende wandte sich Innenminister Arsen Awakow in einer Videobotschaft an die Öffentlichkeit. Es gebe weitere Brandherde, diesmal in der Region Schytomyr, westlich der Hauptstadt. Insgesamt brennen 15 Feuer im Land, davon gelten sechs als gelöscht und fünf als eingedämmt. Die Brände erstrecken sich insgesamt auf einer Länge von mehr als 400 Kilometer.

Brandstiftung möglich

Über die Ursache herrscht noch Unklarheit, aber laut dem Innenminister gelten zwei Theorien als wahrscheinlich. Zum einen sollen die Feuer durch einen starken Suchowejs ausgelöst worden sein, einen warmen, trockenen Fallwind. Der habe dazu geführt, dass Stromleitungen umgerissen wurden, und habe die Flammen angefacht. Zum anderen ermitteln die Behörden aber auch in Richtung Brandstiftung. In den vergangenen Tagen seien mehrere Personen festgenommen worden. Auch Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte sich an die Bevölkerung gewandt und jene ignoranten Menschen um Vernunft gebeten, die "im 21. Jahrhundert noch immer Grasbrände legen".

In der Sperrzone rund um Tschernobyl suchen die Einsatzkräfte nach weiterhin aktiven Schwelbränden. Sie durchkämmen das Gebiet nach glosenden Baumstämmen und Torf. Erst am Montag war ein weiterer Schwelbrand eliminiert worden. Innenminister Awakow zeigt sich besorgt ob der Wettervorhersage: Starke, warme Winde könnten die Glut erneut anfachen. Die Feuer zerstörten bis jetzt zwölf Dörfer, die nach der Katastrophe 1986 geräumt worden waren.

Am Montag warnte die Organisation "Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges" vor einer Verharmlosung der Waldbrände in der Sperrzone. Es gebe nämlich keinen Grenzwert unter dem Radioaktivität ungefährlich wäre. Und radioaktive Wolken hätten sich bereits über die Landesgrenzen der Ukraine hinaus verbreitet. (bbl, 21.4.2020)