Fransenschildkröten, auch als Matamata bekannt, mögen auf den ersten Blick unansehnlich wirken, doch ihr außergewöhnliches Aussehen verschafft ihnen veritablen Jagderfolg: Im Schlamm verborgen wirken die bis zu 53 Zentimeter großen Tiere unter Wasser wie mit Algen bewachsene Steine. Nähert sich aber ein Beutetier, wird dieses durch plötzliches Öffnen des großen Mauls eingesaugt und im Ganzen verschluckt. Bisher war man davon ausgegangen, dass es nur eine einzige, weit in Südamerika verbreitete Art dieser Schildkrötenart gibt. Genetische Untersuchungen sorgten nun aber für eine Überraschung.

Am Gewässerboden ist die Fransenschildkröte kaum zu erkennen.
Foto: Henrik Bringsøe

Genetisch kaum erforscht

"Obwohl diese Schildkröten aufgrund ihres skurrilen Aussehens und ihres ungewöhnlichen Fressverhaltens weit bekannt sind, ist erstaunlich wenig über ihre Variabilität und Genetik bekannt", erklärt Uwe Fritz von den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen in Dresden. Gerade solche, vermeintlich weit verbreitete und als nicht bedroht eingestufte Tierarten habe es oft "in sich" – nicht selten werden sie anhand von genetischen Untersuchungen in mehrere eigenständige Arten aufgeteilt.

"In verschiedenen Studien wurde darauf hingewiesen, dass sich die Matamatas optisch stark unterscheiden können. Dies haben wir zum Anlass genommen und die Fransenschildkröten genetisch unter die Lupe genommen", sagt Fritz. Anhand von 75 DNA-Proben konnten die Forscher zeigen, dass es entgegen bisheriger Annahmen in Wahrheit zwei genetisch und morphologisch klar voneinander unterscheidbare Arten der Fransenschildkröte gibt. Die neu beschriebene Art Chelus orinocensis ist im Orinoco- und Río Negro-Becken verbreitet, die als Chelus fimbriata bekannte Art lebt ausschließlich im Amazonas-Becken.

Ober- und Unterseite der neu entdeckten Art Chelus orinocensis.
Foto: Mónica A. Morales-Betancourt

Seit 13 Millionen Jahren getrennt

Die Trennung der beiden Arten erfolgte laut der im Fachjournal "Molecular Phylogenetics and Evolution" erschienen Studie im späten Miozän, vor etwa 13 Millionen Jahren. In diesem Zeitraum teilten sich das damalige Amazonas-Orinoco-Becken in die beiden heutigen Flussgebiete auf. Zahlreiche aquatische Tierarten wurden so räumlich separiert und entwickelten sich genetisch auseinander.

Mit der Beschreibung der neuen Art muss auch der Gefährdungsstatus der Fransenschildkröte überdacht werden. "Bislang galt die Art aufgrund ihrer Verbreitung als nicht bedroht. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Bestände durch die Aufspaltung in zwei Arten geringer sind, als bisher angenommen", sagt Erstautor Mario Vargas-Ramírez (kolumbianische Nationaluniversität in Bogotá). Zusätzlich werden jedes Jahr tausende dieser Schildkröten von den Behörden beschlagnahmt, die illegal in den Tierhandel gelangten. (red, 28.4.2020)