Der Beton auf der Theresienwiese bleibt 2020 ziemlich leer.

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Markus Söder war das unendliche Bedauern anzumerken. "Ein Bierzelt lebt von der Nähe", davon, dass dort getrunken und gesungen werde, sagte der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef am Dienstag in München. Und deshalb sei man "übereingekommen, dass das Risiko schlicht und ergreifend zu groß ist".

Damit war offiziell, was schon seit Tagen befürchtet worden war: Auch die Wiesn, das Münchner Oktoberfest, geplant vom 19. September bis zum 4. Oktober, fällt der Corona-Pandemie zum Opfer. Auch Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) zeigte sich bestürzt: "Es ist ein trauriger Tag für mich, das ist schon eine bittere Pille." Es gehe schließlich, so wiederum Söder, um das "größte und schönste Fest der Welt".

Sechs Millionen Besucher

Abgehalten wird die Wiesn seit dem Jahr 1810 jährlich auf der Theresienwiese der bayerischen Landeshauptstadt. Im Laufe der Jahrzehnte wurde es immer größer und größer, es bewerben sich stets mehr Schausteller und Wirte, als dann tatsächlich ihre Verlustierungen (Riesenrad, Hexenschaukel) und ihre Verpflegung (traditionell eine Maß und Brathendl) anbieten können. Jährlich kommen rund sechs Millionen Besucher, 70 Prozent davon stammen aus Bayern.

Das ist natürlich ein enormer Wirtschaftsfaktor, die Party sorgt für einen Umsatz von 1,3 Milliarden Euro. Selbst eine reiche Stadt wie München spürt das. "Es ist ein emotional und ökonomisch schwieriger Moment. Alle werden schmerzlich das Oktoberfest im Geldbeutel vermissen", sagt Reiter.

Vor allem die 500 Schausteller leiden und werden Staatshilfe beantragen müssen, zumal die Absage des Oktoberfests wohl wegweisend sein wird für den Umgang mit anderen Volksfesten in Deutschland – wenngleich der Schaustellerverband davor warnt, überall Maßstäbe für das Oktoberfest anzulegen: "Es ist nicht repräsentativ für die 9.750 anderen deutschen Volksfeste, es ist in seiner Einzigartigkeit nicht mit ihnen vergleichbar." Das "klassische deutsche Volksfest" hingegen wende sich "mit seinem vielfältigen Angebot an die Einheimischen vor Ort und die Gäste aus dem nahen Umland", da müssten andere Kriterien gelten.

Keine "Wiesn light"

"Die Absage trifft uns alle schwer", sagt auch der Sprecher der Wiesnwirte, Peter Inselkammer. Er hat aber Verständnis dafür, dass sich München nicht für eine "Wiesn light" ausgesprochen hat. Eine Variante mit weniger Besuchern war eine Zeitlang diskutiert, aber dann wieder verworfen worden, weil keiner davon ausging, dass der Abstand dabei hätte eingehalten werden können.

In seiner 210-jährigen Geschichte ist das Oktoberfest schon einige Male ausgefallen, insgesamt 24-mal. Keine Wiesn fand während des Zweiten Weltkriegs statt, 1854 und 1873 wurde das Fest wegen eines Choleraausbruchs gecancelt. (Birgit Baumann aus Berlin, 21.4.2020)