Eine Impfung gegen das Coronavirus – sie ist die große Hoffnung aller Politiker. Allein: Ihre Entwicklung braucht Zeit. Nur so sind Wirksamkeit und Sicherheit gewährleistet.

Foto: Imago

Die akute Phase der Corona-Pandemie ist im Abklingen. Die Infiziertenzahlen gehen zurück, das normale Leben wird wieder hochgefahren. Die aktuelle Frage ist, wie die Corona-Infektionen unter Kontrolle bleiben – "bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Impfung zur Verfügung steht", ist dann der Satz, der darauf meistens folgt.

Aus großer Hoffnung werden nichtkorrekte Geschichten gemacht. Das schreibt Journalist Jan Dirk Herbermann hat von dem Schweizer Immunologen Martin Bachmann vom Universitätsspital Bern in einer Videokonferenz erfahren, dass die Schweizer bereits im Oktober eine Impfung gegen Sars-CoV-2 zur Verfügung hätten, der Rest der Welt dann ab Februar 2021.

Was realistisch ist

Ein Rundruf bei Experten ergab: "Jeder Hersteller, der eine Impfplattform hat, ist derzeit in derselben Situation. Es geht uns allen darum herauszufinden, welche Oberflächenstrukturen des Virus eine gute Immunantwort auslösen", sagt Rainer Henning, Geschäftsführer von Viravaxx, der zusammen mit der Med-Uni Wien an einer Impfung arbeitet. Derzeit, so versichert er, gebe es noch eine Reihe von Unbekannten auszuloten, die für eine sichere und wirksame Impfung entscheidend sind.

Einen Ansatz für eine Impfung zu finden und sich dafür zu entscheiden sei der eine Teil der Impfentwicklung, ob dieser dann auch den erwünschten Effekt hat, der zweite, ebenso wichtige Teil des Unterfangens. Und das lässt sich nur über klinische Studien herausfinden. "Eine Erleichterung der Zulassungsbedingungen für klinische Studien ist in vielen Ländern in Kraft", sagt Stefan Kähler, Experte für klinische Studien bei der Interessenvertretung der pharmazeutischen Industrie in Österreiche (Pharmig). "Conditional approval" ist der Fachbegriff, der während einer Pandemie weltweit gilt. Insofern gelten für alle Forschenden die gleichen Voraussetzungen, so Kähler.

Frage der Sicherheit

Eine Impfung muss zwei Dinge gewährleisten: zum einen Immunität bei allen Geimpften, zum anderen aber auch die Sicherheit, keine unerwünschten Nebenwirkungen zu erzeugen. Und beides, so Henning, brauche einfach Zeit. "Es darf nicht passieren, dass eine Impfung dazu führt, dass sie es dem Virus erleichtert, in die Zellen einzudringen", so Henning. Es ist eine Reaktion, die bei der Entwicklung von Impfstoffen für Dengue-Fieber bereits beobachtet wurde. "Antibody-dependent enhancement" ist der Fachausdruck dafür. Auch wenn sich alle eine schnelle Lösung für das Corona-Problem wünschen, diese Sicherheitsstandards müssen von allen Impfstoffentwicklern eingehalten werden.

Warum klinische Studien

"Ich nehme an, Bachmann startet im Herbst mit den klinischen Studien in der Schweiz", sagt Stefan Kähler und ortet ein Missverständnis. Denn dieses Datum würde mit dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse gut hinkommen. Das heißt: Auch in der Schweiz beginnt man, an wenigen Menschen zu testen, und je nach Resultat werden die Probandengruppen dann Schritt für Schritt ausgeweitet. Ob ein neuentwickelter Impfstoff auch tatsächlich die gewünschte Wirkung hat, sehen die Forscher dann ebenfalls nach und nach. Und klar, es könnte im Fall des zitierten Immunologen Bachmann sein, dass auch tatsächlich nur Schweizer in die klinischen Studien eingebunden sind.

Der dritte Schritt in einer Impfstoffherstellung ist dann die Produktion für den weltweiten Bedarf. "Das sind aufwendige Verfahren, die ihrerseits auch wieder Zeit brauchen", sagt Kähler, der dabei bleibt: "Die Zeitspanne von 18 Monaten bis zu einem gut wirksamen und sicheren Impfstoff ist dafür realistisch." Eine weltweit verfügbare Corona-Impfung im Herbst werde es nicht geben, ist er sich sicher. (Karin Pollack, 22.4.2020)

Anmerkung: Jan Dirk Herbermann hat diesen Text nicht, wie fälschlich geschrieben, im "Handelsblatt" veröffentlicht.