Bild nicht mehr verfügbar.

Ausländische Konzerne können oftmals klagen, wenn sie sich von der Regierung schlecht behandelt fühlen. Ob sie recht bekommen, ist eine andere Frage.

Foto: Reuters / Fabian Bimmer

Zuletzt wurde der Ruf nach möglicher Verfassungswidrigkeit einiger Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus in Österreich laut, verbunden mit der Forderung nach Haftungen des Staates. Dies könnte bestimmten österreichischen Branchen Hilfe bringen.

Und über die Grenzen geschaut: Wenn der Schaden aufgrund von Maßnahmen eine ausländische Investition trifft, gibt es dann auch einen Schutz für überzogene oder verfehlte Maßnahmen? Unter Umständen, ja.

Um länderübergreifende Investitionen zu fördern, werden zwischen einzelnen Staaten bilaterale Investitionsschutzabkommen (BITs, also "Bilateral Investment Treaties") abgeschlossen. Dadurch schützen die jeweiligen Staaten ihre Investoren vor Eingriffen des jeweiligen Gaststaates. Weltweit gibt es einige tausend BITs. Allein Österreich schloss mit 60 Ländern solche Abkommen, vor allem mit Entwicklungs- und Schwellenländern sowie ehemaligen kommunistischen Staaten. Diese Verträge können Abhilfe schaffen, wenn Investorenprojekte im Ausland durch überzogene Maßnahmen des Gaststaates Schaden nehmen.

Nicht alles ist erlaubt

Dass die Corona-Maßnahmen starke Eingriffe in die Wirtschaft bedeuten, ist zweifelsfrei. Dabei ist auch anerkannt, dass die Ausnahmesituation den Staaten mehr Eingriffsrechte erlaubt, als dies in normalen Zeiten der Fall wäre. Aber rechtfertigt der Kampf gegen das Coronavirus alle Maßnahmen? Nein, denn nicht jedes staatliche Handeln kann so gerechtfertigt werden.

Ein Großteil der BITs enthält Bestimmungen für eine "gerechte und billige" (im Sinn von faire, angemessene) Behandlung, den sogenannten FET-Standard (steht für "Fair and Equitable Treatment"). Die Klausel schützt berechtigte Erwartungen der Investoren. Bei einem Verstoß kann das Schiedsgericht angerufen und Schadenersatz vom Staat gefordert werden. Die FET-Standards geben üblicherweise einen weiten Rahmen, weshalb auch die daraus abgeleiteten Verpflichtungen weitreichend sind.

In mehreren Schiedssprüchen wurde bereits ausgesprochen, dass der FET-Standard auch die "Stabilität der Rechtsordnung" schützt. Überschießende Eingriffe, willkürliches Vorgehen, getrieben von politischen Interessen, und unsachliche Diskriminierungen des Gaststaates können eine Verletzung des FET-Standards begründen. Dies, auch wenn den Staaten grundsätzlich nicht vorgeworfen werden kann, dass sie Schritte zur Bekämpfung der Pandemie setzen, und auch dann, wenn sie diese im besten Glauben, richtig zu handeln, gesetzt haben.

Rechtfertigung der Staaten

Dabei ist natürlich anerkannt, dass Staaten sich auf Rechtfertigungsgründe wie insbesondere die gebotene Notwendigkeit stützen können. Aber gerade der Begriff Notwendigkeit zeigt Grenzen des staatlichen Eingriffs auf. So ist ein solcher nur dann gerechtfertigt, wenn dies der einzige Weg des Staates ist, die wesentlichen Interessen gegen eine schwere und immanente Gefahr zu sichern, wie dies die Völkerrechtskommission in Artikelentwürfen über die Staatenverantwortlichkeit festhält. Diese Grenzen wurden auch in der Vergangenheit immer wieder überschritten.

So wurde in einem Schiedsverfahren gegen Argentinien in Bezug auf die Maßnahmen gegen die Staatskrise 2001/02 zwar die Notwendigkeit von Eingriffen zugestanden, aber auch festgehalten, dass Argentinien zu weit gegangen war, indem es das gesamte rechtliche Gefüge für die Attraktivität ausländischer Investoren zerstörte. In einem anderen Schiedsspruch zur gleichen Krise wurde eine Verletzung des FET-Standards deshalb angenommen, weil die von Argentinien gewählten Maßnahmen die Erwartung ausländischer Investoren schwer belastet haben.

Diskriminierende Hilfspakete

Eine weitere Gefahr lauert in den Covid-19-Hilfspaketen der Regierungen. Aufgrund der erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie haben Staaten weltweit bereits sehr viel Geld zur Unterstützung der Wirtschaft in die Hand genommen, und es ist davon auszugehen, dass bei anhaltender Verbreitung des Virus noch weitere Hilfspakete folgen werden.

In dieser Krisensituation könnten einzelne Staaten dazu verleitet werden, entgegen ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen Hilfsmaßnahmen nach unsachlichen Gesichtspunkten zu gewähren. Eine Bevorzugung von heimischen Unternehmen könnte eine Diskriminierung ausländischer Investoren begründen. Investitionsschutzabkommen können daher auch bei willkürlichen oder diskriminierenden staatlichen Förderprogrammen einen Rettungsanker für benachteiligte Investoren bieten.

Man kann wohl nach heutigem Stand davon ausgehen, dass die von Österreich gesetzten Maßnahmen zur Covid-19-Bekämpfung eher keine FET-Standards verletzen. Bisher konnten auch keine Handlungen erkannt werden, die ausländische Investoren diskriminieren.

Fragwürdige Reisebeschränkungen

Andere Staaten agieren aber weniger besonnen. So werden zwar auch weitgehende Reisebeschränkungen als Notwendigkeit zur Eindämmung der Ansteckungen angesehen werden. Wenn aber der ausländische Investor gar nicht mehr zu seinem Unternehmen kommen kann und so das Management leidet, dann kann die Grenze des Notwendigen überschritten sein. Oder denken wir an den Einsatz des Militärs zum Schutz von bestimmten Industrien, wenn dies die Investition beeinträchtigt. Auch einen ganzen Monat bezahlten Urlaub staatlich anzuordnen fällt in diese Kategorie.

Aber nicht nur überzogene Maßnahmen, sondern auch falsche, fehlende oder verspätete Maßnahmen können einen Schaden für ausländische Investoren herbeiführen. Die BITs geben da den Schiedsgerichten einen durchaus interessanten Rahmen. Für machen internationalen Investor könnte sich ein Blick in das einschlägige BIT auszahlen.

Mancher mag da an die USA denken, wo Maßnahmen zunächst verzögert eingeleitet wurden und nun vom Wahlkampf geprägt sowie vom parteipolitischen Hickhack überschattet werden. Ob dies einen Bruch von FET-Standards darstellt, werden wir allerdings von Österreich aus nicht testen können. Denn zwischen Österreich und den USA gibt es kein BIT. (Ivo Deskovic, Martina Stranzinger, 22.4.2020)