Martin Lee am Wochenende bei seiner Verhaftung.

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Man könnte meinen, dass die Hongkonger derzeit andere Sorgen haben als Demokratie, Meinungsfreiheit und Menschenrechte. Die Corona-Krise versetzt der Wirtschaft der Sieben-Millionen-Metropole einen Tiefschlag. Doch dem ist nicht so: Das Virus hat die Protestbewegung zwar gebremst, die Probleme und Spannungen aber bleiben ungelöst. Die Regierung in Peking versucht die vermeintliche Ruhe für sich zu nutzen. Zuletzt hatte man Hongkong dazu gedrängt, nationale Sicherheitsgesetze zu verabschieden, die die Zivilgesellschaft weiter einengen. Am vergangenen Freitag erklärte Pekings Verbindungsbüro in Hongkong, dass es nicht der Verfassung Hongkongs unterstehe.

Am Wochenende wurden 15 Aktivisten der Protestbewegung festgenommen, darunter Jimmy Lai, Verleger der kritischen Zeitung "Apple's Daily", und Martin Lee, der von seinen Anhängern auch "Vater der Demokratie" genannt wird. Der Vorwurf lautet: Organisieren und Teilnahme an unerlaubten Versammlungen.

"Konterrevolutionär" für Peking

Martin Lee hat spätestens seit dem Tiananmen-Massaker vom Juni 1989 ein mehr als schwieriges Verhältnis zum chinesischen Festland. Nachdem die Regierung in Peking die Proteste blutig niederschlug, sagte er in einem Interview mit der BBC, "5,5 Millionen Menschen China auszuliefern" sei genauso, "wie 5,5 Millionen britische Juden an Nazi-Deutschland zu überstellen". Für Peking galt Lee spätestens dann als "Konterrevolutionär". Dem Sohn eines ehemaligen Kuomintang-Generals wurde daraufhin das Betreten des Festlands untersagt.

Lee besuchte ein Jesuitenkolleg in Hongkong und studierte später Jus. Seit über 40 Jahren kämpft der heute 81-Jährige Anwalt für mehr Demokratie und die Autonomie Hongkongs. Er war in den 1980er-Jahren daran beteiligt, Hongkongs Miniverfassung, das Basic Law, zu entwerfen. Nach seiner Festnahme sagte er: "Ich weiß, dass die Gerechtigkeit auf meiner Seite ist. Würde Peking sich an das Abkommen mit Großbritannien halten, wäre die Protestbewegung nicht notwendig." 1997 hatte sich Peking dazu verpflichtet, die Autonomie Hongkongs unter dem Stichwort "Ein Land, zwei Systeme" zu wahren. (Philipp Mattheis, 21.4.2020)