Mathematik war nie mein Ding. Aber jetzt interessiert es mich doch. Denn was ich auf meiner am Endgerät vorinstallierten Gesundheits-App sehe, lässt mir die Äuglein herausfallen.

Der Tiefpunkt war am 27. März. Für dieses Datum führt meine über das Mobiltelefon getrackte Tagesaktivität niederschmetternde 48 Schritte an. 48 Schritte? Kann das Ding nicht zählen? Das sind, so die Angabe weiter, 0,03 Kilometer, die ich in meiner Wachzeit über den Tag verteilt zurückgelegt haben soll. Es war wohl kein besonders aufregender Tag ... Vom Schlafzimmer ins Badezimmer, vom Badezimmer in die Küche, dort möglichst lange bleiben, und dann weiter ins Wohnzimmer, das jetzt ein halbes Arbeitszimmer ist. Ende Gelände.

Ganze 48 Schritte stehen am Ende des Tages auf der Liste.
Foto: Affenzeller

Den Müll runterbringen war wohl nicht. Keinesfalls ein kurzer Zug um den Häuserblock. Maximal rausschauen beim Fenster, um mich zu versichern, dass der Gegenübermann wie immer und zu jeder Tages- und Nachtzeit eh auch heute verlässlich vor seinem Bildschirm sitzt. Werbegrafiker für die österreichische Tourismusbranche? Ich weiß es nicht.

Na gut, die Yogaübungen muss ich abziehen, denn da bleibt das Handy ja ausnahmsweise unbeachtet liegen. Für die Wege zur Toilette aber kann ich die Hand leider schon nicht mehr ins Feuer legen, denn als Telekonferenzmensch kommt man dieser Tage ja kaum von der Verkabelung seines Endgeräts los. Ja, tut mir leid, die Tatsache lässt sich an dieser Stelle nicht umschiffen.

Empfindungsforschung statt Schrittzählung

Und dennoch scheinen mir läppische 48 Schritte ein saftiger Betrug zu sein. Allein schon der Gang vom Wohnzimmer in die Küche verzeichnet nach meiner sofort erfolgten analogen Feldforschung ganze 13 Schritte. Zweimal hin und zurück würde meiner mathematischen Kenntnis nach die Tagessumme von 48 also schon über..., tja, ...schreiten.

Jetzt fürchte ich nur eines, dass nämlich mein Endgerät deutlich klüger ist als ich. Seine Aufgabe ist es scheinbar gar nicht, meine Schritte läppisch nur mitzuzählen. Vielmehr spürt es tief in mich hinein und erforscht unaufdringlich, aber mit Zuwendung mein Empfinden. Und da kann – das ist die Wahrheit – keine Mathematik mithalten. Auch wenn ich am 27. März ganze 2.000 oder gar satte 8.000 oder wenigstens 400 Schritte gemacht hätte, es hätte sich auf jeden Fall wie 48 oder drunter angefühlt.

Mein Endgerät versteht mich. Es bringt das zum Ausdruck, was ich fühle. Wann wird es endlich wieder die gesunden 10.000-Schritte-Tage geben. Und wann die echt suprigen 18.000 oder die rauschhaften 27.000er? (Margarete Affenzeller, 23.4.2020)