Mitternachtssonne über dem Arktischen Ozean. Das Meereis wird bereits weniger.

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Dass das Eis an den Polen der Erde durch die steigenden Temperaturen immer mehr schwindet, ist unbestritten. Wie schnell das Abschmelzen vor sich geht, ist dagegen immer noch Gegenstand von Diskussionen. Zuletzt deuteten freilich immer mehr Studien darauf hin, dass wir uns mit großen Schritten einem entscheidenden Punkt in der Entwicklung nähern. Eine internationale Untersuchung untermauert nun diese Prognosen, wonach der Arktische Ozean mit hoher Wahrscheinlichkeit noch vor 2050 erstmals eisfrei sein wird.

Das Forschungsteam um Dirk Notz von der Universität Hamburg hat für seine Studie in den "Geophysical Research Letters" aktuelle Ergebnisse von 40 verschiedenen Klimamodellen analysiert. Mit diesen Modellen wurden Simulationen durchgeführt, die von wenig Klimaschutz und ungebremsten Kohlendioxid-Emissionen in der Zukunft ausgehen.

In jedem Fall eisfreie Sommer

Den Modellläufen der Studie liegen die so genannten SSP-Szenarien (Shared Socioeconomic Pathways) zugrunde, die auch im kommenden sechsten Bericht des Weltklimarats IPCC verwendet werden. Starker Klimaschutz mit geringen Emissionen entspricht dabei den Szenarien SSP1-1.9 und SSP1-2.6, schwacher Klimaschutz entspricht dem Szenario SSP5-8.5. Verwendet wurde die jüngste Generation von Klimamodellen CMIP6 (Coupled Model Intercomparison Project Phase 6).

Wie erwartet, zeigen diese Simulationen einen beschleunigten Verlust von Meereis im Sommer. Allerdings – und das ist das wesentlich dramatischere Ergebnis – verschwindet das Meereis auch dann, wenn der CO2-Ausstoß in Zukunft rasch reduziert werden könnte.

"Wenn wir die Emissionen weltweit schnell und deutlich reduzieren und so das Zwei-Grad-Ziel erreichen, wird das Arktiseis trotzdem noch vor 2050 im Sommer immer wieder einmal weitestgehend abschmelzen. Das hat uns überrascht", sagt Notz.

Schwerwiegenden Folgen für die Natur

Zurzeit ist der Nordpol das ganze Jahr über von Meereis bedeckt. Jeden Sommer schrumpft die Eisfläche, im Winter wächst sie wieder. Im Zuge der globalen Erderwärmung hat das Meereis in den letzten Jahrzehnten bereits rapide an Fläche verloren. Für die Natur sind die Folgen problematisch: Die Meereisdecke ist Jagdrevier und unverzichtbarer Lebensraum zum Beispiel für Eisbären und Robben. Gleichzeitig spielt das Meereis eine wichtige Rolle im Klimasystem, weil seine helle Oberfläche das Sonnenlicht reflektiert und so die Arktis kühlt.

Wie viele Sommer in Zukunft eisfrei sein werden, hängt wesentlich von der Höhe der künftigen CO2-Emissionen ab, dies zeigt die Studie ebenfalls. Während bei starkem Klimaschutz eisfreie Jahre nur gelegentlich auftreten, werden sie bei höheren Emissionen zur Normalität sein. Der Mensch hat also in der Hand, wie oft das Meereis am Nordpol im arktischen Sommer komplett verloren geht. (red, 21.4.2020)