Der Tunnel ist lang, aber wir kommen da wieder heraus – so schätzen Großunternehmer die Lage derzeit ein.

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Die Konjunkturerwartungen der Finanzexperten in Deutschland, die im März extrem abgestürzt waren, sind im April gestiegen. Der Index des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) kletterte im April aus dem negativen Bereich um 77,7 Punkte auf 28,2 Punkte. Die Experten sähen "Licht am Ende eines sehr langen Tunnels", erklärte ZEW-Präsident Achim Wambach.

Ein positives Wirtschaftswachstum erwarteten die Experten demnach aber erst wieder im dritten Quartal. Die Wirtschaftsleistung von vor der Corona-Krise wird demnach erst im Jahr 2022 wieder erreicht werden. Die aktuelle Lage in Deutschland sehen die Experten weiterhin düster. Der Index liege bei minus 91,5 Punkten, dies sei ein Rückgang um 48,4 Punkte gegenüber März, erläuterte das ZEW. Die Konstellation von positiven Erwartungen und negativer Lageeinschätzung entspreche den Werten im April und Mai 2009 während der Finanzkrise.

Das Mannheimer Institut befragt monatlich rund 200 Experten von Banken, Versicherungen und Finanzabteilungen von Großunternehmen nach ihren aktuellen Einschätzungen und Prognosen zu wichtigen internationalen Finanzmarktdaten wie Inflationsraten, Zinsen, Aktienindizes, Wechselkursen und zum Ölpreis.

Turbulente Öl-Märkte

Bei Öl ging es auch am Dienstag turbulent weiter, nachdem am Montag der Preis für die US-Sorte WTI erstmals ins Minus gerutscht ist. Die Erschütterungen am Rohölmarkt haben auf weitere Marktsegmente übergegriffen. Der Preis für europäisches Rohöl wurde dadurch mit nach unten gezogen. Die US-Sorte WTI (West Texas Intermediate) zur Lieferung im Juni kostete am Dienstag im Tief 11,59 US-Dollar (10,67 Euro). Zuletzt lag der Preis bei 15,45 Dollar, das waren immer noch 5,97 Dollar weniger als am Vortag.

Die Nordseesorte Brent kostete am Dienstag im Tief 18,10 Dollar. Zuletzt stand der Preis bei 20,68 Dollar. Das waren 5,45 Dollar weniger als am Vortag. Beruhigung zur Lage am Ölmarkt kam aus Russland – jenem Land, das zuletzt im Preiskampf mit Saudi-Arabien stand. "Alle Experten sind sich einig, dass die aktuellen Verwerfungen kein Grund für eine übermäßig negative Einschätzung der aktuellen Lage ist", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Dienstag in Moskau der Agentur Interfax zufolge. Die Ölpreise zeigten zwar keinen positiven Trend, aber sie unterliegen auch keinen erdrutschartigen Veränderungen, meinte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin.

Börsen im Schock

Die Börsianer haben sich weltweit jedoch nicht davon überzeugen lassen, dass der Ölpreisverfall nur ein kurzer Effekt war. In Asien und Europa zeigten die Leitindizes einheitlich nach unten. Besonders unter Druck waren freilich Ölaktien. Der an der Wiener Börse notierte Ölfeldausrüster Schoeller Bleckman Oilfield rutschte um knapp sieben Prozent ab. Die Papiere des Mineralölkonzerns OMV gaben um mehr als fünf Prozent nach. Im Euro Stoxx 50 fielen die Papiere des französischen Mineralölkonzerns Total um mehr als vier Prozent. Im Londoner FTSE 100 gaben die Titel von BP ebenfalls um vier Prozent nach, Royal Dutch Shell verlor mehr als drei Prozent.

Unter Druck kommen auch andere Rohstoffe. Der Goldpreis fiel rund zwei Prozent auf ein Zweiwochentief. Palladium sackte um knapp zwölf Prozent ab. Das lag auch daran, dass Investoren Metalle verkauft haben, um ihre Ölverluste abzufangen.

Fracking-Betreiber schmeißen hin

Benjamin Louvet, Manager des OFI Precious Metals Funds beim französischen Asset Manager OFI, etwa warnt vor einer neuen Ölkrise, die auf die Gesundheitskrise folgen könnte. Viele Fracking-Betreiber schmeißen hin, weil sich das Geschäft nicht mehr lohnt. Sobald Öl wieder stark nachgefragt wird, könnte die Steigerung der Förderung schwierig sein – auch weil Investitionen fehlen.

Die US-Börsen haben ebenfalls schwächer eröffnet. Die Ölpreiskapriolen fachen die Sorge um die bereits durch steigende Arbeitslosenzahlen bedrohte US-Wirtschaft weiter an. Coca-Cola hat bekanntgegeben, allein im April weltweit um ein Viertel weniger Getränke verkauft zu haben. (Bettina Pfluger, 21.4.2020)