Vor einer Bäckerei in Khartum bildete sich eine Schlange, nachdem General Hemeti angekündigt hatte, dass Brotpreise steigen werden.

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Ein Jahr nach dem Höhepunkt der Revolution und der Absetzung von Machthaber Omar al-Bashir ist der demokratische Übergang im Sudan erneut gefährdet. In der Hauptstadt Khartum machen derzeit Gerüchte über einen bevorstehenden Putsch des Militärs die Runde, nachdem der ohnehin geschwächte Staat noch zusätzlich von der Corona-Pandemie bedroht wird. Die Regierung unter dem zivilen Premierminister Abdalla Hamdok hat ab diesem Samstag eine dreiwöchige Ausgangssperre über das Land verhängt, nachdem sich die Infektionen in der vergangenen Woche auf über 100 Personen verdoppelt hatten.

In Khartum bereiten Studenten Desinfektionsmittel vor.
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Beobachter befürchten, dass der Lockdown die katastrophale Wirtschaftslage weiter verschlimmert und das Militär die Macht angesichts der wachsenden Verzweiflung der Bevölkerung wieder ganz an sich reißt. In diesem Fall könnten sich die Sudanesen nicht einmal mehr mit den üblichen Massenprotesten wehren, weil diese wegen der Ansteckungsgefahr ausgeschlossen sind.

Freitagsgebete nicht abgesagt

Eine neue Runde in dem Konflikt zwischen den Militärs und der Zivilregierung bahnte sich bereits in der vergangenen Woche an, als Regierungschef Hamdok den Gouverneur der Hauptstadt Khartum, General Ahmed Abdoun Hamad, feuerte. Der Gouverneur hatte sich der Weisung der Regierung widersetzt, die muslimischen Freitagsgebete wegen der Pandemie abzusagen, und sträubt sich nun auch gegen seine Amtsenthebung. Der Fall wird jetzt den der Regierung übergeordneten "Souveränen Rat" beschäftigen, in dem sich sechs Zivilisten und fünf Militärs unter dem Vorsitz des Streitkräftechefs Abdel Fattah al-Burhan gegenübersitzen.

Vereinzelt kam es in Khartum auch schon zu Protesten gegen die Ausgangssperre. So versammelten sich kürzlich mehrere Dutzend Demonstranten vor dem Hauptquartier der Armee, um die Absetzung Hamdoks zu fordern. "Nein zu einer Regierung des Hungers", war auf einem ihrer Schilder zu lesen. Schon in den letzten Amtsjahren des inzwischen inhaftierten Bashir war der Sudan in eine tiefe Wirtschaftskrise gestürzt: Die Inflation nahm dreistellige Werte an, es kam zu Nahrungsmittelengpässen und Hungersnöten.

Nach seiner Amtsübernahme hatte Hamdok auf finanzielle Unterstützung aus dem Westen gehofft. Diese scheiterte jedoch auch daran, dass der Sudan von der US-Regierung noch immer als "Sponsor islamistischer Terrorgruppen" boykottiert wird. Washington ließ zwar durchblicken, das Land von der Sanktionsliste streichen zu wollen. Das sei jedoch ein "Prozess mit Bedingungen" und nicht "wie das Umlegen eines Schalters", sagte Tibor Nagy, US-Unterstaatssekretär für Afrika, Ende vergangenen Jahres.

Janjaweed wollen gute PR

Mit besonderer Sorge werden derzeit die Umtriebe der Rapid Support Forces (RSF) genannten Miliz unter General Mohamed Hamdan Dagalo alias Hemeti verfolgt. Die unter Bashir als "Janjaweed" zu grausamer Berühmtheit gelangte Truppe wandte sich während der Revolution von dem Autokraten ab, geriet jedoch wenig später wieder in die Schlagzeilen, als sie unter den Demonstranten in Khartum ein Massaker anrichtete. Hemeti gilt als zweitmächtigster Mann im Militär: Dem aus den Darfur-Provinzen stammenden General wird ein unstillbarer Machtwille nachgesagt.

Gegenwärtig sucht Hemeti seinen Milizionären als Pandemiebekämpfern einen besseren Namen zu verschaffen: Sie betreiben Quarantäneeinrichtungen, desinfizieren Straßen und verteilen Desinfektionsmittel. Die Miliz versuche sich als "Verteidigerin der Armen und Unterdrückten" neu zu erfinden, argwöhnt Cameron Hudson vom Washingtoner Atlantic Council. Streitkräftechef Burhan sei mit Hemeti in einen Machtkampf verwickelt, heißt es in Khartum: Falls es tatsächlich zu einem Putsch kommen sollte, würden die RSF wohl eine Schlüsselrolle spielen.

Noch immer sind auch die Friedensverhandlungen der Regierung mit Rebellengruppen in Darfur und in den Südprovinzen nicht zu einem Abschluss gekommen. Die Gespräche sollten bereits im Februar beendet sein, doch die beiden Rebellenführer Abdul Wahid und Abdel-Aziz al-Hilu sind angesichts der unsicheren Lage in Khartum offenbar zögerlich. Ungeklärt ist auch die Frage, wer die Kosten für die Demobilisierung der Rebellen und die Aufwertung der vernachlässigten Regionen trägt. "Die große Gefahr ist, dass sich der Sudan den Frieden nicht leisten kann", meint Magdi el-Gizouli vom renommierten Rift Valley Institute. (Johannes Dieterich, 22.4.2020)