In der Krise brauchen Unternehmen jeden Kunden wie einen Bissen Brot. An einem zumindest halbwegs annehmbaren Onlineauftritt führt kein Weg vorbei.

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Wien – All das Gehabe im Internet hat es früher auch nicht gegeben, und das Geschäft funktioniert auch ohne – so oder ähnlich lautete bei vielen Unternehmen bis vor kurzem immer noch der Tenor. Etwas mehr als ein Monat Corona-Krise zeigt jedoch deutlich, dass jene Firmen, die sich bereits davor aktiv mit der Digitalisierung beschäftigt haben, momentan im Vorteil sind.

Wer beispielsweise schon einen zumindest halbwegs intakten Onlineshop hatte, konnte sich mit diesem befassen und direkt auf Kunden zugehen. Ein wertvoller Vorsprung, wenn der Konkurrent womöglich noch einen bauen muss. Erstversionen von Webauftritten sind meist fehlerbehaftet, aktuell zeigt einem der Kunde schnell, woran es hapert. Fehler zu beheben gestaltet sich dann einfacher, als erst draufkommen zu müssen, wo die Probleme überhaupt liegen.

Das beobachtet auch Lukas Meusburger, Geschäftsführer von V-Labs, einer Vorarlberger Innovationsagentur mit Niederlassungen in Wien und seit Anfang April auch in Budapest. V-Labs hilft Unternehmen bei der Umsetzung digitaler Prozesse, etwa bei der Erstellung eines Onlineshops oder eines Prototyps für Kundenportale. Als klassisches Beratungsunternehmen will Meusburger die eigene Firma nicht sehen: "Vergangenes Jahr haben wir mit der I+R-Gruppe eine Onlineplattform namens Digando zur Vermietung von Baumaschinen erstellt, anstatt wie geplant nur die Kommunikation zu optimieren." Das sei in dieser sehr traditionellen Branche ein großer Schritt gewesen.

Corona schafft Möglichkeiten

Dass Konzerne und große traditionelle Unternehmen bei der Umsetzung digitaler Prozesse oft hinterherhinken, ist mittlerweile eine Binsenweisheit. Meusburger ortet jedoch gerade in der Krise viel Potenzial, den Zugzwang zu nutzen. "Sehr oft werden Dinge fast zu Tode analysiert, bevor etwas passiert. Momentan muss einfach etwas geschehen."

V-Labs arbeitet eng mit Betrieben aus der Versicherungs- und Energiebranche zusammen. Unternehmen mit einer Null-Fehler-Toleranz im Kerngeschäft und strengen Reglementierungen – das sei auch gut so. Ein Kraftwerk muss laufen, und Versicherungsverträge müssen halten, wenn etwas passiert. Doch abseits davon gebe es Spielraum, der oft nicht genutzt werde. Das Internet biete Möglichkeiten, um sich ein bisschen zu spielen. "Hat eine Versicherung ein gutes Onlineportal, kann sie Kunden zum Beispiel Kurzzeitversicherungen viel leichter verkaufen. Ohne menschlichen Kontakt", sagt Meusburger.

Als anderes "Es muss schnell gehen"-Beispiel führt er die Onlineplattform Zamhelfen der Caritas an. "Es gab bei der Caritas einen verstärkten Nachfrage-Anstieg von Freiwilligen, die helfen wollten, aber auch von Hilfsbedürftigen. In knapp zwei Wochen haben wir das Portal erstellt. Da hätte es andernfalls eine lange Bedarfsanalyse gegeben."

Am digitalen Prozess dranbleiben

Der V-Labs-Chef zeigt Verständnis dafür, wenn digitale Neuerungen aktuell hintangestellt werden. "Wer es sich leisten kann, diese weiter zu verfolgen, sollte das allerdings machen. Eine bessere Chance, Dinge zu probieren mit unmittelbarem Kundenfeedback, bekommt man wohl nie wieder." Zwar koste so etwas am Anfang immer Geld, auf lange Sicht zahle es sich jedoch aus. Grundsätzlich sei er aber begeistert, wie viele der Kunden an den Prozessen festhielten – und auch, dass sich die Unternehmen auf die neuen Gegebenheiten wie Video-Meetings einlassen.

V-Labs wurde 2016 gegründet und beschäftigt aktuell 15 Mitarbeiter. Vergangenes Jahr hat das Unternehmen eigenen Angaben zufolge seinen Umsatz auf 1,9 Millionen Euro verdoppelt. Neben der Beratungstätigkeit betreibt V-Labs auch eigene Start-ups wie Ethus oder FAIA. Zu den bekanntesten Kunden zählen Uniqa, Wüstenrot, Erste Foundation, Wien Energie, Illwerke Vkw und Rhomberg Bau. (Andreas Danzer, 22.4.2020)