Im Textilhandel zeichnet sich nach der Wiedereröffnung großer Ketten im Mai eine Rabattschlacht ab.

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Die ersten Pleiten finden von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt statt. Dutzende Filialen der deutschen Textilkette Colloseum sind seit Ausbruch der Corona-Krise geschlossen und werden es wohl bleiben. Der Betrieb meldete Insolvenz an, allein in Österreich sind mehr als 300 Mitarbeiter betroffen.

Die Reißleine zieht hierzulande auch Stefanel. Der italienische Konzern ging im Vorjahr pleite, hielt jedoch 400 der 1.000 Shops am Leben. Am Dienstag meldete die Österreich-Tochter Stefburg mit neun Filialen ihre Zahlungsunfähigkeit an. Die Marke Stefanel dürfte damit in Österreich Geschichte sein.

50 Prozent mehr Insolvenzen

Covid-19 wird für Unternehmen trotz der Staatshilfen lebensbedrohlich. Jeder zweite österreichische Betrieb hat seine finanziellen Mittel in spätestens drei Monaten aufgebraucht, erhob der Kreditschutzverband KSV 1870 in einer Umfrage. Vier Prozent seien schon jetzt nicht mehr liquid. Fünf Prozent haben nach eigener Einschätzung nur noch Luft für 14 Tage. In Summe werde die Krise die Zahl der Firmeninsolvenzen mittelfristig um 50 Prozent nach oben treiben, schätzt der Chef der Creditreform, Gerhard Weinhofer.

Colloseum steckt mit günstiger Mode für Jugendliche seit Jahren tief in der Verlustzone fest. Stefanel haderte in Österreich ebenso mit stark rückläufigen Umsätzen. Die Eigentümer in Venedig lehnten finanzielle Zuwendung ab, die Ware musste vorab bezahlt werden. Dann brach Corona herein.

Das Virus lenkt nicht von Missmanagement der Vergangenheit ab. Seine Folgen fegen aber nicht nur seit langem siechende Betriebe hinweg. Auch gesunde Unternehmen stehen an der Kippe.

Die Last der Kurzlebigkeit

Als Beleg dafür dient Experten die Modebranche. Peter Voithofer berechnete für das Institut Economica ihre wirtschaftlichen Szenarien der kommenden Wochen und Monate. Er schlägt Alarm: Textilhändler riskierten derzeit, ihr gesamtes Eigenkapital innerhalb nur einer Saison zu verlieren.

Zur Erklärung: Wer Bekleidung verkauft, muss diese in der Regel ein halbes Jahr zuvor ordern und bezahlen. Händler haben ihre Lager derzeit voll mit der Frühjahrs- und Sommerkollektion – jene für Herbst und Winter ist vorbestellt. Doch Mode ist kurzlebig. Das Gros dessen, was sich heuer nicht absetzen lässt, ist 2021 Ballast, denn Textilien verlieren rasant an Wert.

Es seien die enormen Kosten für den Wareneinsatz, die der Branche mehr als jeder anderen zu schaffen machen, sagt Voithofer. Die Lager würden nun finanziell massiv entwertet, bisher gebe es dafür aber keine angemessene staatliche Entschädigung. Bestehende Hilfe der Regierung erfasse zwar verderbliche Ware wie Blumen, greife aber bei der Bekleidung zu kurz.

Zehntausende Jobs in Gefahr

Jutta Pemsel, Obfrau des Bundesgremiums Modehandel in der Wirtschaftskammer, spricht von einem "Tsunami an Insolvenzen", der auf Textilbetriebe zukomme, wenn nicht rasch und unbürokratisch gegengesteuert werde. Zehntausende der insgesamt gut 62.000 Jobs der Branche seien gefährdet. "Modehändler stehen mit dem Rücken zur Wand – darunter auch jene mit hohem Eigenkapital."

"Es scheitert nicht am Geld vom Staat, die Betriebe ersticken an der damit verbundenen Bürokratie", ergänzt Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Handelsverbands. "Die Hilfe kommt nicht rechtzeitig an." Er warnt davor, eine Auslese darin zu sehen. Es sei vielmehr eine Spirale nach unten, die Unternehmen wie Fliegen sterben lasse. Und der Wiederaufbau werde Jahre in Anspruch nehmen.

Seit eineinhalb Wochen dürfen kleine Händler wieder aufsperren. Am zweiten Mai ziehen große Unternehmen nach. Deren Erwartungen sind niedrig, denn Konsumenten fehlt jede Lust am Konsum.

Acht Euro Umsatz am Tag

Exakt acht Euro setzten seine Mitarbeiter in einer Filiale an einem Tag um, zieht ein Textilunternehmer mit dutzenden Shops in Österreich nüchtern Bilanz. Mehr als der Verkauf von Socken war nicht drinnen. Er rechnet damit, dass die Nachwehen von Corona ein Drittel der Modehändler hinwegraffen, was sich in leeren Flächen in Innenstädten und Einkaufscentern niederschlagen werde. Im Krisenmodus sind auch Riesen wie H&M. Im März brach der Umsatz der Gruppe weltweit um 46 Prozent im Vergleich zu Februar ein. Für das zweite Quartal stehen Verluste ins Haus.

Ins Schlingern soll C&A geraten sein, berichten Marktkenner. Der Konzern kämpft seit Jahren gegen sinkende Umsätze, zog sich aus einzelnen Ländern zurück, reduzierte das Filialnetz, zog den Verkauf in Erwägung. Covid-19 trifft die Gruppe wie viele am falschen Fuß. C&A selbst nennt auf Anfrage keine aktuellen Bilanzzahlen, sondern verweist auf 2018/19, als bei 416 Millionen Euro Umsatz ein EGT von gut 3,1 Millionen erzielt wurde. Die aktuelle Situation sei mit nichts zu vergleichen, heißt es. Man versuche nun Schritt für Schritt, mit den Herausforderungen umgehen zu lernen. (Verena Kainrath, 22.4.2020)