Seit Forscher 2016 die sensationelle erste Messung von Gravitationswellen bekanntgaben, ist viel passiert: Nicht nur wurde der Erfolg des Gravitationswellen-Observatoriums Ligo 2017 mit dem Physiknobelpreis an Rainer Weiss, Kip Thorne und Barry Barish gewürdigt. Seither wurden auch etliche weitere dieser sich mit Lichtgeschwindigkeit wellenförmig ausbreitenden Stauchungen und Dehnungen in der Struktur von Raum und Zeit gemessen, die Albert Einstein vor mehr als 100 Jahren vorhergesagt hatte. Zuletzt berichteten Wissenschafter von etwa einem registrierten Gravitationswellenereignis pro Woche.

Jetzt legen Forscher ein besonders spannendes Signal vor, das noch nie zuvor detektiert wurde. Es stammt von der Verschmelzung zweier ungleicher Schwarzer Löcher, die enorme Massenunterschiede aufweisen: Ein kleines Schwarzes Loch mit etwa der achtfachen Masse unserer Sonne wurde von einem großen Schwarzen Loch mit der 30-fachen Sonnenmasse verschlungen.

Ungleiche Umarmung: Zwei Schwarze Löcher unterschiedlicher Massen verschmelzen.
Illustration: N. Fischer, H. Pfeiffer, A. Buonanno/MPI/SXS Collaboration

Aussagekräftiges Ereignis

"Dies ist das erste Doppelsystem Schwarzer Löcher, bei dem wir einen so großen Unterschied zwischen den Massen beobachtet haben", sagt Roberto Cotesta vom Max Planck Institut für Gravitationsphysik in Potsdam. Bisher beobachtete Verschmelzungen Schwarzer Löcher bestanden immer aus zwei ungefähr gleich großen Massen. "Der große Massenunterschied bewirkt, dass wir mehrere Eigenschaften des Systems genauer messen können: seinen Abstand zu uns, den Winkel, in dem wir es betrachten, und wie schnell sich das schwere Schwarze Loch um seine Achse dreht."

Das GW190412 genannte Ereignis wurde sowohl vom Observatorium Ligo in den USA als auch vom Virgo-Detektor in Italien am 12. April 2019 registriert, wie die Wissenschafter berichten. Die Daten zeigen, dass die Verschmelzung in einer Entfernung von 1,9 bis 2,9 Milliarden Lichtjahren von der Erde stattfand.

Simulation des Ereignisses GW190412.
Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut)

Kosmische Obertonmusik

Die Beobachtung des Ereignisses bestätigt zudem einmal mehr Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie – und zwar über eine eine bisher ungetestete Vorhersage: Denn das Muster der gemessenen Gravitationswellen unterscheidet sich von bisherigen Signalen. "Zum allerersten Mal haben wir in GW190412 das unverkennbare Gravitationswellen-Brummen einer höheren Harmonischen ‚gehört‘, – ähnlich der Obertöne von Musikinstrumenten", sagt Frank Ohme vom Albert-Einstein-Institut in Hannover. Aus Einsteins Vorhersage ergibt sich, dass diese Obertöne in Systemen mit ungleichen Massen viel lauter sein müssen als in Verschmelzungssignalen ebenbürtiger Schwarzer Löcher.

Die Forscher nehmen an, dass Systeme wie GW190412 gar nicht so selten sind – die bisherigen Beobachtungen würden erst "die Spitze des Eisbergs" zeigen. Jeder Suchlauf von Ligo und Virgo habe ganz neue Einblicke in das Universum ermöglicht, sagt Ohme. "Es ist offensichtlich, dass wir gerade erst begonnen haben, die die Vielfalt der Paare von Schwarzen Löchern dort draußen zu verstehen." (dare, 27.4.2020)