Unito-Österreich-Chef Harald Gutschi sieht Corona als Zäsur für den Handel.

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Wien – Als Krisengewinner will sich Harald Gutschi nicht bezeichnen. Das klinge zu hart, zu sehr nach Abschöpfen von Profiten. Dass sein Unternehmen aufgrund seines Geschäftsmodells aus den aktuellen Turbulenzen Nutzen ziehe, lasse sich aber nicht von der Hand weisen. Gutschi ist Chef von Unito Österreich, die als Versandhandelsgruppe Marken wie Quelle, Otto und Universal in sich vereint. 95 Prozent der Bestellungen der Kunden werden mittlerweile online abgewickelt. Seit große stationäre Geschäfte im Zuge von Corona schließen mussten, verbucht der Konzern zweistellige Umsatzzuwächse.

Er hätte nie gedacht, dass die Republik derart viele Kühlschränke brauchen könne, wundert sich Gutschi, führt dieses Phänomen aber auf die Hamsterkäufen an Lebensmitteln in den ersten Tagen des Shutdowns zurück. Vor allem Technik werde im Versandhandel in rauen Mengen gekauft, wobei sich damit als Händler nicht viel verdienen lasse, wie er relativiert.

Rabatte als einziger Anreiz

Besonders prickelnd seien die Erträge trotz des starken Kundenzulaufs in Summe nicht, stellt er klar. Denn Gutschi erwartet in Österreich zwischen Juni und September "die größte Rabattschlacht aller Zeiten. Kunden werden so günstig einkaufen wie nie zuvor." Viele Händler kämpften um ihre Existenz, die Lust der Österreicher zu konsumieren sei gering. Der einzige wirkliche Kaufanreiz seien Aktionen.

Gutschi spricht seit Jahren von einer digitalen Revolution im Handel, die stationäre Anbieter massiv in die Bredouille bringen werde. Mit Superlativen spart er auch jetzt nicht. Corona sei wie ein Urknall für die Branche: Der Strukturwandel, der sich sonst innerhalb von zehn Jahren vollzogen hätte, passiere nun in zwei Jahren, ist der Versandhändler überzeugt.

Den mit Abstand größten Umbruch erwartet er im Textilhandel. Die Branche sei jene mit den größten Verkaufsflächen und zugleich geringsten durchschnittlichen Umsätzen pro Einwohner. "Mode lebt vom Erlebniseinkauf." Doch die Schränke der Österreicher seien voll damit. Alle Anlässe, um sich neu einzukleiden, wie Hochzeiten, Feste und Veranstaltungen, seien virusbedingt abgesagt.

Neue Konsumgewohnheiten

Die Menschen lernten zudem, dass sich auch Möbel, Lebensmittel und Technik problemlos online ordern ließen, sagt Gutschi. Zwei Drittel würden diese Konsumgewohnheiten künftig beibehalten, auch wenn sie vor Corona Sortimente wie Möbel nie via Internet eingekauft hätten. Die Krise fungiere quasi als Zäsur.

Amazon sieht Gutschi daraus gestärkt, noch dominanter hervorgehen, schickt aber voraus, dass Kunden zugleich auch mehr Wert auf regionalen Einkauf legten. Die Marken Otto und Universal etwa würden von vielen bewusst als Alternative zu internationalen Internetriesen genutzt.

Unito selbst beschäftigt in Österreich mit Standorten in Graz und Salzburg 600 Mitarbeiter. Nahezu alle arbeiten derzeit im Homeoffice. Für 70 Prozent hat die Tochter des deutschen Otto-Konzerns Kurzarbeit beantragt, die aber nicht überall voll ausgeschöpft werde, wie Gutschi sagt. Warum Kurzarbeit in einem Unternehmen, das derzeit Neukunden am laufenden Band zählt? In der Verwaltung etwa falle durch weniger Dienstreisen und Weiterbildung weniger Arbeit an, auch hätten viele Mitarbeiter aufgrund der Schließung von Schulen und Kindergärten Kinder zu beaufsichtigen.

Vernünftiger Stufenplan

Unito hat den Umsatz im vergangenen Geschäftsjahr (März 2019 bis Februar 2020) netto um knapp drei Prozent auf 365 Millionen Euro reduziert. Grund des Rückgangs sei der bewusste Verzicht auf Print-Werbemittel wie Kataloge. Online legte der Umsatz um fünf Prozent zu.

Den im stationären Handel hart umstrittenen Stufenplan für die Wiederauferstehung der Geschäfte hält Gutschi als Onlinehändler für vernünftig. "Es muss hier eine gewisse Zeitverzögerung geben. Regelungen, die alle als gerecht empfinden, gibt es nicht." (Verena Kainrath, 22.4.2020)