Rockergöre Barb bringt die Trollwelt ins Ungleichgewicht, ihr Herr Papa wird im Original von Ozzy Osbourne gesprochen.

Foto: DreamWorks

Gänzlich unironisch ist es nicht, dass gerade Trolle als erster Online-Only-Release eines groß budgetierten Kinofilms Geschichte schreiben. Trolls World Tour, das Sequel der animierten Singfabelzwerge von 2016, wird allgemein als Testfilm dafür betrachtet, ob ein direkter, für den Konsumenten vergleichsweise teuer kommender VoD-Start ökonomisch sinnvoll ist – möglicherweise auch über die Corona-Virus-Phase hinaus.

In den USA geht die Strategie überraschend gut auf. Trolls World Tour liegt in den VoD-Charts auf Platz eins, man rechnet damit, dass der Dreamworks-Film seine Herstellungskosten von rund 90 Millionen Dollar einspielen wird. Das liegt wohl auch daran, dass sich die Trolle, die sich unterschiedlichen Musikstilen zugehörig fühlen, beim Nachwuchs großer Popularität erfreuen. Die eklektische Originalmusik wurde erneut von Justin Timberlake produziert, Neo-Soul-Stars wie Anderson Paak haben nicht nur Songs geliefert, er spricht sogar Prince B, einen Funk-Troll.

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Dieser ist in Trolls World Tour wie alle andersmusikalischen Artgenossen von den Alleinherrschaftsambitionen von Rockergöre Barb bedroht. Von Raumschiffen, die wie Seeteufel aussehen, schickt sie zerstörerische Gitarrenriffs weg, um Troll-Welten wie Country, Klassik und Pop zu erobern. Troll-Königin Poppy (Anna Kendrick) rückt naiverweise zuerst aus, um sich der Party anzuschließen, findet dann aber bald auch mehr über die Vergangenheit ihrer Spezies mehr heraus.

Trippig und umwölkt

Klingt weird? Ist es vor allem deswegen, weil Regisseur Walt Dohrn und sein Team jede Gelegenheit nützen, die Musikwelten mit psychedelischem Farbenfrohsinn auszumalen. Drogen werden zwar nie explizit erwähnt, sind aber gleichsam den visuellen Fantasien inhärent, sei es im P-Funk Mothership, bei dem dann auch George Clinton einen Auftritt hat, oder bei einer trippigen Smooth-Jazz-Sequenz. Besondere Erwähnung verdient die Nahtoderfahrung von Troll-Würmchen Mr. Dinkles. Die Diversitätsorgie, die den Film beschließt, gerät dann leider ein wenig zu pädagogisch.

Netflix

Um Erziehung der anderen Art geht es in The Willoughbys, einem Animationsfilm, der exklusiv bei Netflix zu sehen ist. Basierend auf Lois Lowrys gleichnamigem Roman, erzählt er von einer alt eingesessenen Familie, bei der nicht nur die roten Bärte schon einmal besser gesprossen sind. Rabeneltern trifft bei Mutter und Vater Willoughby noch zu kurz, sie ignorieren ihre Kinder, Liebe ist ein Fremdwort. Die vier Kids wissen sich jedoch zu helfen: Sie schicken die Eltern auf einen hoffentlich tödlichen Extremurlaub.

The Willoughbys ist nicht nur aufgrund seiner extraschmalen Figuren und Affinität zu Wolltexturen sehenswert, mit seiner sarkastischen Ausrichtung gegenüber familiärem Zusammenhalt hilft er auch durch trübe Zeiten. (Dominik Kamalzadeh, 22. 4. 2020)