Ein Punkt im Schulöffnungsmodell der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde ist der Ruf nach einer Stunde Gesundheitsunterricht pro Woche mit Informationen über den aktuellen Stand der Pandemie und die Sinnhaftigkeit der gesetzten Maßnahmen.

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Es ist eine besonders umkämpfte Frage in diesen Tagen: Wie soll man die Schulkinder (und ihre Eltern) am besten durch die Corona-Krise lotsen? Wie lang darf man ihnen die Schule als Ort der Bildung, aber auch des sozialen Austauschs vorenthalten? Denn auch das hat gravierende Nebenwirkungen, so wie die Sperre von Handelsbetrieben. Und wie kann der Spagat zwischen gesundheitlichen, epidemiologischen Notwendigkeiten und den Bildungsbedürfnissen der Kinder gelingen?

Zwei Pflöcke hat die Regierung dazu bis jetzt eingeschlagen: Die Maturaklassen fangen ab 4. Mai wieder an, und ab 15. Mai sollen die anderen Klassen nach und nach wieder eingespeist werden. Wie konkret, wird Bildungsminister Heinz Faßmann am Freitag präsentieren. SPÖ, FPÖ und Neos brachten am Mittwoch im Parlament einen Entschließungsantrag ein, der die Regierung auffordert, endlich einen "detaillierten Stufenplan zur schrittweisen Normalisierung des Schul- und Kindergartenbetriebs, beginnend in der ersten Maihälfte", vorzulegen. Türkis-Grün lehnte diesen am späten Abend ab.

Minister will mit Augenmaß in die neue Schulnormalität

Faßmann selbst hat immer die Linie vertreten, dass die Schüler noch vor dem Sommer wieder in die Schulen zurückkehren sollten – wissenschaftlich begründet, mit Augenmaß und unter Berücksichtigung der Corona-Situation.

Sehr konkrete Vorschläge kommen etwa von der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, also "ausgewiesenen Expertinnen und Experten für die Altersgruppe von null bis 18 Jahren", wie es in einem Schreiben vom 8. April an Faßmann sowie Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und den Rektor der Med-Uni Wien, Markus Müller, der auch Mitglied des Corona-Krisenstabs ist, heißt.

Die Hauptaussage des Papiers, das dem STANDARD vorliegt, lautet: "Durch die Schließung aller Schulen kommt es nicht nur zu Einschränkungen im Lernergebnis, sondern auch zu teilweise gravierenden sozialen Beeinträchtigungen für Kinder und deren Eltern. Aus unserer Sicht sollte daher diese Altersgruppe möglichst bald wieder in einen (soweit möglich) geregelten und ‚normalen‘ Alltag zurückkehren."

Mit Regeln und Hygiene Spreader in Schach halten

Durch "sinnvolle Regeln" und pädagogische Hygieneunterweisungen sollte es gelingen, das Risiko, dass Kinder als "potenzielle Spreader" das Virus verbreiten, "gering zu halten", heißt es weiter.

Die Expertenempfehlungen zu "zeitnahen Schulöffnungen" sind:

· grundsätzlich kein Schulbesuch für Kinder mit Infektionszeichen und Fieber

· Klassenteilung zur Reduktion der Personendichte

· (eventuell verkürzter) Unterricht in zwei Gruppen von 8 bis 11 und 12 bis 15 Uhr, eventuell freitags frei und Unterricht digital (Ausarbeiten von Hausaufgaben)

· oder: eine Gruppe Montag/Mittwoch/Freitag, die andere Gruppe Dienstag/Donnerstag mit wochenweisem Wechsel

· oder: wochenweiser Wechsel der zwei Gruppen (bevorzugte Variante, da wahrscheinlich am besten organisierbar)

· "Twinning" – jeder Schüler / jede Schülerin hat in der Parallelgruppe einen Zwilling (Twin), mit dem Infos und Lernstoff elektronisch ausgetauscht werden (in Volksschulen mit Elternsupport)

· 1,5 Meter Distanz (statt nur ein Meter)

· Maskenpflicht (nicht im Unterricht), Maskenvergabe und -kontrolle sowie verpflichtende Händedesinfektion am Schultor

· Bewegung und Turnunterricht (wichtig – nicht aussetzen!) nach Möglichkeit im Hof oder Park unter Einhaltung des Abstandes von mindestens 1,5 Metern; Verzicht auf Umkleiden, Duschen und dergleichen

· Sonderkonditionen für chronisch kranke Kinder (keine generelle Freistellung, Inklusion dieser Gruppe, soweit vertretbar)

· eine Stunde pro Woche Gesundheitsunterricht mit Informationen über den aktuellen Stand der Pandemie und die Sinnhaftigkeit der gesetzten Maßnahmen

Engmaschiges Monitoring als Bedingung

Die Hoffnung der pädiatrischen Experten ist, dass "bei Berücksichtigung unserer Vorschläge und unter engmaschigem Monitoring von Inkubations-, Infektions- und Erkrankungsfällen eine Schulöffnung für alle Schulstufen in absehbarer Zeit möglich sein sollte".

Laut einer Ifes-Umfrage für die Arbeiterkammer wünscht sich mehr als die Hälfte der Homeschooling-geplagten Eltern mindestens einmal pro Woche einen Halbtag Schule in Kleingruppen. (Lisa Nimmervoll, 22.4.2020)