Der Graue Goral, der Chinesische Goral und der Südliche Serau sind drei ziegenartige Spezies, die heute hochgelegene Regionen und Bergwälder Südostasiens bewohnen. Dass die teilweise vom Aussterben bedrohten Wesen diese entlegenen Gebiete bevorzugen, war jedoch nicht immer so: Eine aktuelle Untersuchung weist darauf hin, dass diese Lebensräume ihre letzten, durchaus weniger geeigneten Rückzugsorte darstellen.

Ein männlicher Grauer Goral im indischen Rajaji-Nationalpark.
Foto: A. J. T. Johnsingh

Das Forschungsteam um Kantapon Suraprasit von der Chulalongkorn University in Thailand und der Universität Tübingen untersuchte Zähne von früheren Populationen der Gorale und Seraue mit einem Alter von 400.000 bis 6.000 Jahren aus fünf Fossilienfundstätten in Thailand: Pha Bong, Khok Sung, Tham Wiman Nakin sowie den Höhlen Tham Lod und Ban Rai. Isotopenanalysen von Kohlenstoff und Sauerstoff am Zahnschmelz sind anerkannte Verfahren, um indirekt mehr über die Ernährung und Lebensweise fossiler und rezenter Tiere zu erfahren. So lagert der Zahnschmelz bei Blätterkost von Bäumen andere Kohlenstoffisotope ein als bei Gras als hauptsächlichem Futter.

Offene Graslandschaften bevorzugt

Die Isotopenmessungen ergaben, dass der Südliche Serau (Capricornis sumatraensis) im Pleistozän ein Generalist war. "Diese Art ernährte sich sowohl von Blättern als auch Gras. Sie kam offenbar mit verschiedenen Lebensräumen wie Wäldern und Grasland zurecht", sagt Suraprasit. Die heutigen Populationen des Südlichen Seraus leben dagegen nur noch in hochgelegenen Wäldern.

Chinesischer Goral mit Jungtier in einem Wildpark.
Foto: ML5

Die Messergebnisse zeichnen für das Leben des Grauen Gorals (Naemorhedus goral) und des Chinesischen Gorals (Naemorhedus griseus) im Pleistozän ein anderes Bild: "Wir waren überrascht, dass diese beiden Arten sich ganz überwiegend von Gras ernährten und wohl nur in offenen Landschaften vorkamen", sagt der Wissenschafter. Heute finden sich die Gorale in niedrig bis hochgelegenen Bergwäldern, an steilen Hängen und Felsklippen oder in extrem hohen Berggraslandschaften bis zu 3.000 Meter über dem Meeresspiegel.

Vom Menschen verdrängt

"Die Klimaänderung im Frühen Holozän bewirkte, dass es in Thailand mehr Niederschläge gab und sich mehr geschlossene Wälder ausbildeten", nennt Hervé Bocherens, Koautor der Studie von der Universität Tübingen, einen Faktor, der zum Wechsel des Lebensraums und dem Aussterben der Gorale in Thailand beigetragen haben kann. Doch halten die Wissenschafter die Einflüsse des Menschen für gravierender.

Vergleich des Vorkommens in verschiedenen Höhen und der Nahrungsverfügbarkeit bei pleistozänen und heutigen Populationen von Goralen und Serauen.
Illustr.: Kantapon Suraprasit/Universität Tübingen

"Die Jagd auf Gorale, die landwirtschaftliche und kommerzielle Nutzung ihrer ursprünglichen Lebensgebiete in den Niederungen führten zum Rückgang der Populationen. Die restlichen Tiere waren gezwungen, sich in das heutige Nepal und Bhutan in höhere Lagen des Himalayas zurückzuziehen", sagt Bocherens.

Ein Südlicher Serau im Dusit Zoo von Bangkok, Thailand.
Foto: Melanochromis

Restbestände ins offene Tiefland verlagern

Die Bestände und Ausbreitungsgebiete sowohl der vom Aussterben bedrohten Grauen Gorale als auch der gefährdeten Chinesischen Gorale nähmen immer schneller ab. Die im Fachjournal "Frontiers in Ecology and Evolution" veröffentlichten Erkenntnisse der paläontologischen Forschung müssten nun bei ihrem Schutz Anwendung finden, meinen die Wissenschafter. Die negativen Einflüsse menschlicher Aktivitäten müssten reduziert und ein neuer Schutzplan für die Gorale mit Zugang zu grasbewachsenen Gebieten im Tiefland ausgearbeitet werden. (red, 24.4.2020)