Die AUA ein Ferien- und Regionalflieger, der nur Point-to-Point-Verkehr abwickelt und in den sonnigen Süden oder zu anderen touristische Destinationen fliegt und sich weiterhin mit der Billigkonkurrenz und Schleuderpreisen um die Kunden keilt: Dieses Worst-Case-Szenario für die Lufthansa-Tochter sieht der Neustartplan für Nach-Corona-Zeiten nicht vor.

Die Flugkapazität und mit ihr die Zahl der Flieger werden bis 2022 um ein Fünftel geschrumpft. Mit einer Flotte von 60 Flugzeugen, davon neun Langstreckenflieger (drei Boeing 767 weniger als derzeit), soll die Auferstehung gelingen. Von Ersatz für die veralteten Langstreckenflieger wird wohl lange nicht die Rede sein. Dabei war die Langstrecke angesichts des blutigen Preiskampfs mit Wizzair, der Ryanair-Tochter Lauda und anderen der Hoffnungsträger in Wien, auch wenn sich nicht alle Strecken so lukrativ entwickelt hatten wie erhofft – und die Lufthansa schon vor Jahren in den Raum gestellt hat, die AUA-Langstrecken zu reduzieren.

Der Staat muss für die AUA wieder einmal als Feuerwehr einspringen.
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Die allerschlimmste Befürchtung, die Langstrecke werde ganz geopfert, ist in diesem Plan, mit dem die Lufthansa in Verhandlungen um die kolportierten 700 bis 800 Millionen Euro an Staatshilfe geht, zumindest vom Tisch. Doch kann ein Neustart mit weniger Langstreckenfliegern gelingen? Hört man sich in der Branche um, herrscht Ernüchterung, ausweglos sei die Sache aber nicht. Zitieren lässt sich derzeit niemand. Zu heikel sind die Gespräche, die auf verschiedenen Ebenen in Sachen Sparpaket und Hilfen laufen.

In der Nationalratssitzung am Mittwoch wurden in der Sache noch einmal bekannte Positionen ausgetauscht. SPÖ-Verkehrssprecher Alois Stöger forderte im Gegenzug für Finanzspritzen eine staatliche Beteiligung an der (für Österreich systemrelevanten) AUA oder an der Lufthansa. Der für die Luftfahrt zuständige Staatssekretär Magnus Brunner (ÖVP) konterte, dass die Hilfsbereitschaft der Politik nicht unbegrenzt sei: "Der Satz 'Koste es, was es wolle' hat seine Grenzen. Das muss man offen sagen."

Weniger Flugzeuge, weniger Langstrecke

Das gilt aber auch für die AUA-Mutter Lufthansa, die ihre Tochter nun noch mehr auf Diät setzt – und Zweifel aufkommen lässt, dass man so aus der Krise fliegt. Sechzig Flugzeuge, davon neun Langstreckenflieger, sind demnach das Mindeste, was es für eine Airline wie die AUA braucht, um eine Drehkreuzfunktion erfüllen zu können. Ob die Nachfrage dem Angebot entspricht, steht auf einem anderen Blatt. Der Weltluftfahrtverband IATA eruierte jüngst, dass 40 Prozent der Kunden selbst nach einer Eindämmung der Pandemie noch mindestens ein halbes Jahr warten wollen, ehe sie sich auf Flugreisen wagen. Das AUA-Management selbst rechnet heuer mit einem Geschäftsvolumen von 20 bis 25 Prozent, fürs nächste Jahr mit 75 Prozent.

Die Lufthansa spare die AUA kaputt, degradiere sie zu einer Art Ryanair mit geknechtetem Personal: Das sind die Ängste in Wien.
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Alles, was derzeit in Wien verhandelt wird, steht wie in der gesamten Branche auf tönernen Beinen. Der springende Punkt in den Verhandlungen mit den Lufthanseaten sind die Drehkreuzfunktion und die Bedeutung für den heimischen Wirtschaftsstandort. Es soll ja Gespräche über eine Standortgarantie zwischen der Regierung und der Lufthansa geben. Hierzulande wird gerade ein mehrköpfiges Verhandlungsteam zusammengestellt, um ein Hypo-Schicksal zu vermeiden.

Das rot-weiß-rote Interesse (neben der Tatsache, dass es die Hilfe nicht bedingungslos geben wird) ist, schnell zusammengefasst, recht umfassend: Immerhin haben rund 380 internationale Unternehmen ihre Headquarters in Österreich, für die eine internationale Anbindung ebenso wichtig ist wie für Kongressbesucher und internationale Organisationen. Für die heimischen Touristiker ist die AUA nicht nur ein wichtiges Aushängeschild. Sie bringt auch die vielen Touristen (zu viele, wie es zuletzt oft hieß) ins Land. Zudem will der Flughafen Wien irgendwann seine dritte Piste bauen – ohne AUA derzeit kaum vorstellbar. In der Frage, ob Österreich überhaupt einen nationalen Carrier braucht, finden sich mehr Argumente dafür als dagegen.

Wette auf das Drehkreuz

Für die österreichischen Verhandler ist das Drehkreuz-Argument allerdings gewichtiger als für die Konzernmutter. Doch auch die AUA ist für einen internationalen Konzern nicht bedeutungslos, ist sie doch ein wichtiger Heimmarkt. Grundsätzlich erwartet die Lufthansa von ihren Töchtern, dass sie Marken, nationale Verkehrsrechte für das zentrale Produktmanagement einbringen und artig und kosteneffizient ihre Leistung bringen. Ganz besonders in Zeiten wie diesen. Wien spielt da nicht in der obersten Liga mit. Und jetzt erwartet sie eben finanzielle Unterstützung, das Volumen für den ganzen Konzern wird auf fast zehn Milliarden Euro taxiert – inklusive der 800 Austromillionen.

Auch Laudamotion will Staatshilfe. Und Michael O'Leary hat bereits erklärt, dass er den Preiskampf fortzusetzen gedenke. "Ob 9,99 Euro, 4,99, 1,99 oder 99 Cent pro Sitz, ist uns fast egal – kurzfristig geht es nicht darum, Geld zu verdienen", so O'Leary. Wie lange er das Abenteuer Wien noch zu finanzieren gedenkt, ist offen.
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Hierzulande wünscht man sich hingegen, dass die Lufthansa in Sachen Netzsteuerung Wien mehr in Rechnung nimmt. Ein Passagier, der von Moskau oder Budapest nach New York reist, könne ebenso gut via Wien fliegen wie über Frankfurt oder München. Sprich: Das Drehkreuz Wien müsse gestärkt und Zukunftsinvestitionen etwa in neue Langstreckenflieger getätigt werden. Immerhin habe Wien auch bei den erzielten Ticketpreisen für die Langstrecke aufgeholt, heißt es. Eine Standortgarantie für zehn Jahre sei das Mindeste. Für die Lufthanseaten ist Wien auch eine Wette auf die Zukunft: Springt die Wirtschaft in Osteuropa wieder an, könnte das Drehkreuz Wien miterblühen.

Arbeitsplätze

Das wären dann möglicherweise auch wieder bessere Zeiten in Sachen Arbeitsplätze. Die vage Ansage des AUA-Managements, man wolle so viele wie möglich erhalten, ist nicht mehr als die Eröffnung im Poker um die Hilfsgelder. Von den 700 bis 800 Stellen, die im Zuge des im Herbst angekündigten Sparpakets gestrichen werden, erledigen sich die ersten 500 wohl noch heuer durch natürliche Fluktuation. War im Herbst davon auszugehen, dass das Bodenpersonal stärker betroffen sein wird, so hat sich das Blatt zuungunsten der Piloten gewendet. Rund 1.200 hat die AUA derzeit im Sold, für 60 Maschinen braucht sie etwa 900. Selbst wenn die gut 100 Lufthansa-Nachwuchsflugzeugführer planmäßig im Oktober wieder zur Mutter zurückkehren, sind das immer noch zu viele.

Bei den aktuellen Sparverhandlungen haben sie deswegen schlechte Karten: Piloten gibt es derzeit am Markt genug. Dementsprechend rumort es dort ganz besonders. Man produziere günstiger als die Konzernschwester Eurowings und sogar billiger als Konkurrent Easyjet, heißt es empört. Insider gehen dennoch davon aus, dass schon bald wieder mit Golden Handshakes zu rechnen ist. (Regina Bruckner, 23.4.2020)