Der Unmut und das Unverständnis sind groß: dass die größeren Museen erst im Juli wieder aufsperren, obwohl es schon früher ginge. Dass die Theater bald wieder proben können, aber unter Bedingungen, unter denen sie es lieber sein lassen. Oder dass die finanziellen Hilfen noch immer nicht bei vielen freischaffenden Künstlern angekommen sind, obwohl ihnen bereits das Wasser bis zum Hals steht. Der Unmut und das Unverständnis richten sich im Speziellen gegen eine Person: Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek.

Seitdem die Grüne gemeinsam mit Vizekanzler Werner Kogler, ihrem Parteikollegen, letzten Freitag die Lockerungen im Kulturbereich bekanntgab, schwappen immer neue Empörungswellen über sie herein. Dass sie nicht wisse, wovon sie rede, wenn sie die Situation der Theater beschreibt. Oder dass sie die mächtigen Museumsdirektoren nicht so einfach mit der aufgeschobenen Eröffnung ihrer Museen davonkommen lassen dürfe. Zu Kunst und Kultur haben plötzlich alle eine Meinung, zur "Fehlbesetzung" im Ministerium erst recht. Das empörte Lüftchen, das bereits bei der Ernennung von Lunacek aufkam, wuchs sich in den vergangenen Tagen zum Sturm aus. Rächt sich jetzt, dass die Kultur bei der Regierungsbildung aufs Abstellgleis verfrachtet wurde?

Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek.
Foto: imago/Eibner

Das ist mit Sicherheit so. Die derzeitige Situation zeigt aber auch, wie fahrlässig in diesem Land wieder einmal mit Kultur umgegangen wird.

Kulturpolitische Unerfahrenheit

In der Tat hatte die langgediente Politikerin Lunacek in der Vergangenheit keine Berührungspunkte mit Kunst und Kultur, sieht man einmal von lange zurückliegenden Erfahrungen auf einer Wiener Off-Bühne ab. In Kombination mit der Ansiedlung der Kunst- und Kulturagenden in einem Staatssekretariat mutete die Bestellung der ehemaligen Europaabgeordneten vielen Kulturschaffenden als Affront an. Zumal es in der Person von Eva Blimlinger, ehemals Direktorin der Wiener Akademie der bildenden Künste, eine hervorragend qualifizierte Kandidatin für das schwierige Amt gegeben hätte.

Einige der Fehler, die in den vergangenen Tagen und Wochen passiert sind, sind denn durchaus der kulturpolitischen Unerfahrenheit Lunaceks zuzuschreiben. Etwa dass Regeln, die für Supermärkte oder Geschäfte gelten, einfach auf den Kulturbetrieb umgelegt wurden. Die Rücksprache mit Theaterdirektoren oder auch Kinobetreibern hätte genügt, um zu erkennen, dass diese – vorsichtig ausgedrückt – nicht praktikabel sind. Der eindringliche Ruf nach mehr Dialog hallt denn zu Recht seit vergangenem Freitag durch die Kulturszene.

Einiges wird man Lunacek aber auch nicht in die Schuhe schieben können. Eingezwängt zwischen Gesundheits- und Finanzminister, sind der Kulturstaatssekretärin sowohl in gesundheits- als auch finanzpolitischen Fragen die Hände gebunden. Die Sorgen und Anliegen der Kulturschaffenden waren und sind bei ihrem Chef und ihren Kollegen offenbar kein großes Thema.

Mit der Kultur brüstet man sich in diesem Land zwar liebend gern, aber wenn es ums Eingemachte geht, hat man sie auch schnell wieder vergessen. Das kennen wir zur Genüge aus der Vergangenheit, als sich entweder Rot oder Schwarz um die Kulturagenden kümmerten. Dass es die Grünen damit nicht viel anders halten, hat viele überrascht – und erklärt zu einem nicht unbeträchtlichen Teil die heftige Kritik an der Kulturstaatssekretärin. (Stephan Hilpold, 23.4.2020)