Auf der Bühne des Porgy & Bess ohne Publikum – David Helbock

Vor Jahren beschloss David Helbock, sich ein recht üppiges Projekt vorzunehmen. Er fasste den Plan, ein Jahr lang täglich ein Stück zu schreiben und setzte das Vorhaben auch konsequent um. Es entstanden 365 Kompositionen, fast 700 Seiten Musik, man schrieb das Jahr 2009. Mittlerweile ist der Vorarlberger einer der Exportartikel des heimischen Jazz, ein origineller Virtuose, der Tradition und Moderne individuell verarbeitet. Und fleißig ist er bis dato weiterhin.

Gegenwärtig ist er jedoch auf jenes häusliche Existenzformat zurückgeworfen, das den Meisten aus der Alltagspraxis wohlbekannt ist. "Momentan bin ich noch in Vorarlberg auf dem Land – komponiere und übe viel, bin aber auch viel draußen auf dem Fahrrad. Das geht hier leichter als in der Stadt. Und natürlich überlege ich mir auch, wie die Zukunft für mich als Musiker aussehen könnte und was ich als Plan B statt meiner Konzerttätigkeit machen könnte, wenn das jetzt noch länger so weitergeht."

Tricks am Klavier

Helbock lebt ausschließlich von Konzerten, die jetzt alle weggefallen sind. "So habe ich auch gerade mein erstes Piano-Tutorial-Video erstellt, bei dem ich einige Klaviertricks anhand meines letzten Solopianoalbums erkläre. Das werde ich bald veröffentlichen – vielleicht werden ich in Zukunft auch vermehrt Klavierstunden übers Internet geben."

Helbock wirkt auch mit beim Format der Streamingkonzerte, das er natürlich nicht auf längere Sicht als Ersatz für das wirklich Musikleben betrachtet. "Ich hatte unlängst schon ein Streaming Konzert – Solopiano am Spielboden Dornbirn. Es war quasi meine Streamingkonzert-Premiere. Irgendwie spürt man die Energie des Publikums, wenn man weiß, dass jetzt viele Leute live mit dabei sein. Es ist auf jeden Fall anders, als wenn man einfach alleine im Studio Musik aufnimmt. Aber natürlich ist es doch irgendwie komisch – man wartet vor allem auf den Applaus, der dann nicht kommt."

Konzept des Porgy

Am Donnerstag im Porgy&Bess spielt er mit seinem Trio "Random/Control": "Das wird sicher nochmal eine ganz andere Erfahrung. Und die Bühne des Porgy ist ja groß genug, so dass wir weit genug auseinanderstehen können, aber auch das wird sich sicher ungewohnt anfühlen. Generell bin ich auch zweigeteilt, was Streaming betrifft und ich finde auch wir Musiker sollten jetzt nicht inflationär zu viel Musik, vor allem gratis, ins Netz stellen.

Auf der anderen Seite will man sich aber natürlich weithin mitteilen und Leuten Freude mit Musik bereiten. Das Konzept des Porgy finde ich aber ganz schön. Man kann ja den Stream wirklich nur live miterleben. Es gibt kein Download oder ein Im-Nachhinein-Anschauen. Wer nicht live dabei ist, hat es verpasst."

Vorbild Keith Jarrett

Bei diesem Streaming-Konzerte spielt Helbock klangliche Vielschichtigkeit aus. Das Trio setzt mehr als 20 Instrumente ein, "von Tuba über Trompete, von Flöten und Klarinetten bishin zu Alphorn und natürlich Klavier und viel Percussion. Wir spielen hauptsächlich Stücke von unserer aktuellen CD "Tour d´Horizon", die bei ACT Music erschienen ist. Hier ehren wir meine wichtigsten Einflüsse des Jazzpiano – also Kompositionen von z.B. Keith Jarrett, Cedar Walton, Carla Bley oder Herbie Hancock. Dazu auch noch ein paar Stücke von mir – jetzt letzte Woche haben wir eine neue digitale Single veröffentlicht – meine schon etwas ältere Komposition ,The Soul‘, jetzt in der Trioversion mit Saxophon und Beatbox."

Die durch Corona ausgelöste Zwangspause des öffentlichen Lebens erlebt er durchaus als Kette von Absagen. "Es ist nicht leicht. Bis jetzt sind etwa 25 Konzerte ausgefallen – in ganz Europa. Ich rechne aber noch mit deutlich mehr – wahrscheinlich bis Jahresende mit doppelt so vielen Ausfällen. Man hofft natürlich noch auf ein paar Sommerfestivals und auch im Herbst wäre ich wieder viel auf Tour. Aber schon jetzt reden viele Veranstalter auch bezüglich Herbst schon von möglichen Absagen. Auch der CD-Verkauf ist komplett weggebrochen, das funktioniert heutzutage eigentlich fast nur noch bei Livekonzerten."

Was wirklich zählt

Natürlich sei es toll, dass "es Hilfsprogramme der Regierung für Selbständige gibt, auch wenn das nur einen Bruchteil dessen kompensiert, was bei den Konzerten reingekommen wäre. "Aber ich nütze die viele Zeit, die ich nun habe – komm etwas runter vom vielen Stress bei den Touren letztes Jahr, habe Zeit, Neues zu entwickeln und mir zu überlegen, was wirklich wichtig ist – die Ungewissheit ist halt das Problem, dass wir nicht wissen, wann und ob es wieder weiter geht mit Konzerten."

Eines aber wäre aus dieser Phase wichtig mitzunehmen, so Helbock: "Ich würde mir wünschen, dass diese Solidarität und das aufeinander schauen, das man jetzt immer wieder spürt, erhalten bleibt. Und nicht, einander zu misstrauen und überwachen. In diese Richtung könnte es nämlich auch gehen, wenn wir nicht wachsam bleiben." (Ljubiša Tošić, 22.4.2020)