Während die meisten Männer meines Freundeskreises in ihren Jobs weiterwurschteln und die Karriereleiter nur langsam raufkrabbeln, habe ich mich im letzten halben Jahr für eine Abkürzung beim Weg an die Spitze entschieden: die Väterkarenz.

Dabei ist es kein Geheimnis: "Als Arbeitnehmer profitieren Väter von der strukturierten Auszeit zur Betreuung des Nachwuchses", steht etwa bei Stepstone. Auf der Website des Karriereportals werden die Vorteile der Väterkarenz aufgezählt. So hatte ich im vergangenen halben Jahr die "Möglichkeit, soziale Kompetenzen zu erlernen, die für den Beruf relevant sein können". Und auch mein Arbeitgeber profitiert: "Väter mit Kinderbetreuungserfahrung sind effizientere Arbeitnehmer." Trotzdem nutzen nur vier Prozent der Männer diesen Karriereboost selbst.

Heroisch überlassen die meisten Väter noch immer ihren Partnerinnen die Karrierechance Kinderbetreuung.
Foto: Privat

Frauen machen das gern

Da ist mein Freund Robert*, der Prokurist. Wie viele Väter verbaute er sich diese Chance schon lange vor der Geburt des ersten Kindes. Er hat schon immer so viel verdient, dass er und seine Frau eine riesige Wohnung mit riesiger Terrasse und riesigen Kreditraten haben. Er kann gar nicht in Väterkarenz, weil das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld bei 2.000 Euro gedeckelt ist und sich das finanziell nicht ausgeht. Das macht aber nichts, seine Frau ist gerne bei den Kindern.

Martin*, der Manager, war in Karenz. Wie bei fast allen Vätern, die es so weit schaffen, war seine Abwesenheit im Unternehmen jedoch nur für die gesetzliche Mindestdauer der Karenz von zwei Monaten zu verkraften. Das reicht weder, um die notwendigen sozialen Kompetenzen für den karrieretechnischen Durchstart danach aufzubauen, noch, um den Wiedereinstieg der Mutter ins Berufsleben zu erleichtern – dazu bräuchte es mindestens ein halbes Jahr, wie die Arbeiterkammer vor kurzem herausgefunden hat. Martin hat aber Glück, seine Frau ist gerne beim Kind und arbeitet nach ihrer Karenz sowieso nur Teilzeit.

Der Arbeitgeber von Thomas* sieht das Problem mit der Kinderbetreuung, bei geschlossenen Kindergärten während der Corona-Krise, schon. Aber deshalb gleich die Stunden reduzieren, damit Thomas und seine Frau sich das gleichmäßig aufteilen können? Nur mit Zähneknirschen könnte er das akzeptieren. Thomas ist neu im Unternehmen, und da bringt er den Arbeitgeber lieber nicht gleich zum Knirschen. Seine Frau ist aber sowieso gerne beim Kind.

Gernot* ist Finanzminister. Ein Papamonat oder gar Karenz ist auch für ihn nicht drinnen, wie er in der ORF-"Pressestunde" bereits Anfang März befürchtete: "Ich fürchte, das geht sich in dieser Situation mit dieser beruflichen Herausforderung nicht aus." Seine Lebensgefährtin, die Fernsehmoderatorin, kümmert sich jetzt Vollzeit um ihre "schönste Story", ihre Tochter, wie es die Tageszeitung "Heute" auf den Punkt bringt. Sie arbeitet also quasi eh in ihrem alten Job weiter.

Meine Karenz, meine Karriere

Wie bei diesen Vätern gibt es fast immer eine gute Ausrede, einen guten Grund, um den Müttern das "Karrieresprungbrett" Elternkarenz zu überlassen. Im Jahr 2018 übernahmen nur 4.764 Männer von mehr als 120.000 Eltern in Österreich die Kinderbetreuung. "Im Gegensatz zu Frauen wird das berufliche Engagement von Männern von der Geburt eines Kindes häufig kaum beeinflusst", fasst die Statistik Austria den heroischen Verzicht eines Großteils der Männer zusammen.

Ich mache da nicht mit. Ich gehöre nicht zu diesen Feministen, die ihre Lebensgefährtinnen jahrelang zu Hause an ihren sozialen Kompetenzen feilen lassen. Um meiner Karenz keine Hindernisse in den Weg zu legen, habe ich langfristig geplant: Erstens verdiene ich weniger als meine Freundin. Sie musste daher so schnell wie möglich zurück in den Job, damit wir nicht verhungern. Zweitens habe ich mich von Anfang an für meinen Arbeitgeber so abkömmlich gemacht, dass dieser meinen Karenzantrag freundlich unterstützte.

Noch lassen meine zu erwartenden Gehalts- und Karrieresprünge auf sich warten, aber bald bin ich unverzichtbar. Wenn das nächste Mal eine Arbeitgeberin oder ein Arbeitgeber die Zähne knirscht, weil ein unabkömmlicher Vater an Karenz denkt, dann bin ich da. Wenn einer meiner Freunde an der Zwickmühle Karenz und Spitzenkarriere oder Weiterwurschteln wie bisher verzweifelt, dann bin ich da. Ich werde sie alle in den Arm nehmen, streicheln, trösten und im schlimmsten Fall auch die Windel wechseln.

* Drei der vier Namen wurden aus Angst vor freundschaftlichen Sanktionen vom Autor geändert.

Peter Sim ist Journalist bei "Dossier". Statt Parteifinanzen, Geldwäsche, Inserate und Waffenhersteller investigiert er derzeit seine einjährige Tochter in der Väterkarenz. Er lebt bei ihr wie einst Hunter S. Thompson bei den Hells Angels. Seine Berichte lesen Sie ab jetzt jeden zweiten Sonntag online im STANDARD, sein Karenztagebuch auf Twitter.
Foto: Peter Sim