Foto: Roche

So sieht der ein Roboter in der Laborwelt aus: Cobas 6800 von Roche Diagnostics kann viele Proben gleichzeitig auswerten. In einer Pandemie geht es besonders darum, über solche Hochdurchsatzverfahren zu verfügen.

Foto: Roche

Es sieht für Laien aus wie eine Küchenzeile. Tatsächlich ist das Gerät namens Cobas 6800 ein Roboter. Und zwar einer, der in der Corona-Pandemie seit Wochen eine Schlüsselrolle spielt. Er ist ein PCR-Testgerät, und zwar eines, das im Hochdurchsatzverfahren viele Rachenabstriche gleichzeitig analysieren kann. Das ist sein Vorteil gegenüber Menschen, die dafür viele Stunden und extrem viel händische Arbeit einsetzen müssen. Die akute Phase der Corona-Epidemie ist aktuell zwar am Abebben, doch das Virus wird deshalb nicht verschwinden. Deshalb werden die Cobas-6800-Maschinen der Firma Roche Diagnostics auch weiter im Einsatz sein. Geschäftsführerin Uta-Maria Ohndorf gibt Einblicke, was in den vergangenen Monaten in dieser Branche so entscheidend war.

STANDARD: Als in China die Corona-Epidemie ausbrach und die Zahlen der Infektionen bekannt wurden, was hat Roche Diagnostics da gemacht?

Ohndorf: Als Hersteller von Diagnostikgeräten ist es eine unserer Kernaufgaben, auf neue Infektionen schnell reagieren zu können. Darauf sind wir eingestellt. Wir spielen dann, wenn neue Erreger Krankheitsausbrüche verursachen, seit Jahren sozusagen Feuerwehr. Das haben wir bereits beim Ebola-Ausbruch gemacht, auch bei Zika in Brasilien und vielen anderen. Wir waren auf die Corona-Epidemie, die in China begonnen hat, gut vorbereitet.

STANDARD: Was genau meinen Sie?

Ohndorf: Als die RNA des neuen Coronavirus sequenziert war, haben wir uns darangemacht, die genetischen Signaturen zu analysieren. Es geht immer darum, die Einzigartigkeit eines Virus zu erkennen und dann Verfahren zu entwickeln, um es sichtbar zu machen. Denn das ist im Grunde genommen das, was ein Test können muss. Für dieses schnelle Verfahren haben wir Prozesse, in denen Ingenieure, Wissenschafter und Mediziner eng miteinander arbeiten. So kommen wir schnell zu Ergebnissen.

STANDARD: Wie war das bei Sars-CoV-2?

Ohndorf: Unser Prozess hat funktioniert. Wir konnten zwei sehr einzigartige RNA-Abschnitte definieren, verwenden für den Test also zwei Zielregionen (duales Target) im Virus. Und auf dieser Basis haben wir dann einen hochsensiblen PCR-Test unter Einhaltung der höchsten Qualitätssicherungsstandards entwickelt.

STANDARD: Qualitätssicherung ist ein überaus technischer Begriff. Was bedeutet das eigentlich?

Ohndorf: Im Grunde, dass er korrekte Ergebnisse liefert, denn nur darauf kommt es in einer Pandemie an. Normalerweise würde die Entwicklung so eines Tests Monate dauern. Es gibt eine Reihe von bürokratischen Hürden, die auch mit der Dokumentation so einer Zulassung zu tun haben. Im Falle der Corona-Epidemie hat die FDA bereits am 27. Jänner die Möglichkeit einer Notfallgenehmigung (Emergency Use Authorization, EUA) angekündigt. Das hat alles geklappt. Die Behörden haben da wirklich Erstaunliches geleistet. Am 12. März wurde die EUA erteilt.

STANDARD: Aber warum gab es so lange Zeit Engpässe bei den Testkapazitäten?

Ohndorf: Es gibt eine Reihe von PCR-Testplattformen. Auch Roche hat unterschiedliche. Das Effiziente an Cobas 6800 ist, dass sich viele Proben auf einmal auswerten lassen, es gibt aber auch kleinere Instrumente, die nur weniger schaffen. Und wenn wir schon vorher von Qualitätssicherung gesprochen haben, dann ist das auch hier relevant. Für die Ergebnisse auf den kleineren PCR-Testgeräten sind die Labors verantwortlich, für die großen Maschinen übernehmen wir die Qualitätssicherung, wir garantieren also für die Ergebnisse. All diese Prozesse brauchen Zeit, um dann entsprechend verlässliche Ergebnisse zu liefern. Falsche Ergebnisse, das darf nicht sein.

STANDARD: Erklären Sie noch mal, was Cobas kann?

Ohndorf: Cobas ist der Name einer Plattform. PCR-Tests sind mehrstufige Verfahren, die ja auch händisch gemacht werden können. In Cobas 6800 ist alles automatisiert. Das Einlesen der Proben, das Extrahieren der RNA aus den Wattestäbchen, das Vorbereiten für den Test, der Test selbst, die Auswertung und das Versenden der Ergebnisse. Für rund 100 Ergebnisse brauchen wir nur 3,5 Stunden, wobei kaum ein Labormitarbeiter involviert sein muss.

STANDARD: Dafür aber eine ganze Reihe von Testkits, an denen es auch mangelte, oder?

Ohndorf: Um das Virus sichtbar machen, braucht man sogenannte Reagenzien, das ist meistens ein Mix aus sehr spezifischen Flüssigkeiten. Außerdem brauchen wir auch im Laborroboter eine Reihe von Materialien, etwa Platten und Spitzen, die alle aus einem ganz speziellen Plastik sein müssen, damit dieser Test auch funktioniert. Da sind wir auf die Lieferanten angewiesen. Das Hauptproblem in einer Pandemie: Das Wachstum der Infektion ist exponentiell, doch die Produktion von Maschinen, Zubehör, aber auch Medikamenten ist linear. Wir haben es wirklich in einer vergleichsweise kurzen Zeit geschafft, unsere Kapazitäten nach oben zu skalieren.

STANDARD: Was heißt das genau?

Ohndorf: Wir haben mehrere Millionen PCR-Tests für ein Virus geliefert, das im Dezember 2019 entdeckt wurde. Dabei ist es uns gelungen, neue Produktionslinien aufzubauen, Lieferanten für Reagenzien und Testkit-Material einzubinden und dabei auch sicherzustellen, dass sie ihre Produkte zuvor qualitätsgesichert haben. Das war eine nie dagewesene, gemeinsame Anstrengung, die global zwischen vielen Ländern gelaufen ist.

STANDARD: Können PCR-Tests flächendeckend sein?

Ohndorf: Sie können überall verfügbar sein, doch jeden Menschen werden wir niemals testen können. Das ist auch gar nicht das Ziel. Denn PCR-Tests sind ein Instrument für das Management einer Pandemie. Sie bleiben in der Kontrolle der Pandemie weiterhin sehr wichtig. Wenn die Ausgangsbeschränkungen gelockert werden, können die Infektionszahlen auch wieder steigen. Mit PCR-Tests wird die Entwicklung weiter beobachtet. Lokale Ausbrüche können damit eingedämmt werden. Die Regierungen entscheiden, welche Maßnahmen getroffen werden.

STANDARD: Wie sieht es mit den PCR-Kapazitäten in Österreich aus?

Ohndorf: Aus unserer Sicht ist Österreich gut versorgt. Als klar wurde, dass Tirol besonders von der Corona-Pandemie betroffen ist, haben wir dort vor Ort die Kapazitäten aufgestockt. Aber klar, in einer Pandemie ist es immer so, dass mehr Kapazität bei den Tests gut wäre.

STANDARD: Wie geht es weiter?

Ohndorf: Das zweite, ebenso wichtige Tool zur Kontrolle der Pandemie sind die Antikörpertests, weil sie zeigen, ob jemand die Infektion bereits durchgemacht hat und eventuell immun ist. Derselbe Prozess, der bei den PCR-Tests stattgefunden hat, also die qualitätsgesicherte Zulassung eines verlässlichen Tests, findet jetzt gerade in diesem Bereich statt. Wobei es auch da um die Hochdurchsatz-Tests geht, also die Roboter von Roche Diagnostics. Diesmal zertifizieren wir einen Antikörpertest auf den Cobas-e-Systemen, die je nach Größe 100 bis 1.200 Ergebnisse pro Stunde liefern.

STANDARD: Warum sind Antikörpertests einfacher?

Ohndorf: Sind sie an sich nicht. Denn auch die Antikörpertests müssen sehr spezifisch sein. Es wäre fatal, wenn es falsch-positive Ergebnisse gäbe. Wenn zum Beispiel eine Pflegerin nach dem Test glaubt, dass sie immun ist, und zurück zu ihrem Arbeitsplatz im Pflegeheim geht, sie dann aber gar nicht immun ist und die alten Menschen ansteckt, wäre das wirklich schlecht. Insofern müssen wir in unseren Tests garantieren, dass das nicht der Fall ist. Daran arbeiten wir gerade.

STANDARD: Was ist die Herausforderung?

Ohndorf: Es gibt zwei Antikörper, die dieser Test detektieren muss. Die IgM-Antikörper: Sie sind ein Zeichen dafür, dass eine kurzfristige Immunantwort besteht. Und die IgG-Antikörper, die Auskunft darüber geben, dass diese auch langfristig besteht. Es sind sozusagen die Gedächtniszellen des Immunsystems. Eine Hürde derzeit ist auch noch, dass niemand Auskunft darüber geben kann, ob und wie lange die Immunität gegen Sars-CoV-2 besteht. Weil es nach einem halben Jahr einfach keine Erfahrungswerte geben kann. Unser Antikörper-Test-Verfahren wird gerade zertifiziert und wird Mitte Mai zum Einsatz kommen können. Dadurch wird es dann auch eine Reihe wichtiger Erkenntnisse geben, die Auskunft über den Immunstatus der Bevölkerung zulassen. Dementsprechend kann die Politik im Management der Pandemie dann weitere Entscheidungen treffen. (Karin Pollack, 25.4.2020)