Auf bis zu 91 Quadratkilometern müssten in Österreich Solaranlagen stehen, um die Klimaziele zu erreichen.

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Wien – Seilbahnen stehen still, Hotels leer. Auch die Energie verschlingende Industrie läuft nur gedrosselt. Obwohl die Österreicher derzeit zu Hause mehr Strom benötigen, sank der Verbrauch infolge der Corona-Krise um bis zu 20 Prozent, sagt Leonhard Schitter, Präsident der Branchenvertretung Österreichs Energie. Der tiefe Einschnitt in der Tourismus-Industrie habe beim Stromverbrauch zu einem Ost-West-Gefälle geführt. Die Krise werde jedenfalls "massive Auswirkungen" auf die Bilanzen der Energieunternehmen haben.

Dass der Staat wie bei der Austrian Airlines mit großen Hilfspaketen einen der heimischen Energieriesen gesondert retten muss, erwartet Schitter nicht. Derzeit biete sich eine großartige Chance, um mit Konjunkturspritzen die Klimaziele zu erreichen. Bis 2030 soll in Österreich der Strom vollständig aus erneuerbaren Quellen fließen. "Extrem ambitioniert" nennt Schitter diese Vorgabe. Was in der öffentlichen Debatte zur Energiewende gerne ausgeblendet werde: "Wir tun oft so, als gäbe es die Physik nicht." Dabei brauche es massive Investitionen in das Netz und Stromspeicher, um erneuerbare Quellen wie Solar- und Windenergie in die Versorgung übers ganze Jahr einzubinden.

Solarparks notwendig

Um die Klimaziele zu erreichen, müsse die Regierung nicht nur Geld in die Hand nehmen, sondern auch die Förderregeln so umschreiben, dass mehr Großprojekte ausgerollt werden können. Vor allem bei Solaranlagen habe die Politik bisher einen zu engen Fokus: Statt auf kleine Dachanlagen zu setzen müsste die Regierung parallel dazu den Bau von Solarparks auf Freiflächen forcieren. Grundlage für diese Einschätzung ist eine neue Studie im Auftrag von Österreichs Energie, durchgeführt vom Experten für Erneuerbare Hubert Fechner von der FH Technikum Wien, die dem STANDARD vorliegt.

Dieser zufolge könnte nur etwa ein Drittel der notwendigen Solarenergie durch Anlagen auf Gebäuden gedeckt werden. Nicht dass die Österreicher zu wenig Dächer hätten. Der Engpass begründet sich laut Studie durch "soziologische und andere Kriterien". Eine vage Definition, die aber durch Umfragewerte, finanzielle Möglichkeiten und Erfahrungswerte gestützt wird.

Um den Rest an Solarenergie zu liefern, der nicht aus Anlagen auf Gebäuden stammt, müssten bis zu 91 Quadratkilometer an Freiflächen genutzt werden. Mögliche Flächen für Solaranlagen sind Deponien und Verkehrsflächen wie Schallschutzwände oder Parkplätze. Essenziell sind aber landwirtschaftliche Böden. Insgesamt müssten etwa 0,1 Prozent der Fläche Österreichs mit Solarzellen bestückt werden.

Flächen umwidmen

Eine Sonderwidmung "Solarpark" soll für potenzielle Flächen eingeführt werden, fordert die Branche. In diesen Zonen sollen Solaranlagen bewilligt werden, unabhängig von einer etwaigen "Beeinträchtigung des Landschaftsbildes oder des Erholungswertes der Landschaft".

Derzeit feilt Infrastrukturministerin Leonore Gewesseler (Grüne) an einem neuen Ökostromgesetz. Vor dem Sommer soll ein Entwurf vorliegen. Dann wird sich zeigen, ob der von der Branche erhoffte Strategiewechsel von der Politik aufgegriffen wird. (Leopold Stefan, 23.4.2020)