Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sind sich nicht einig, wie Europa die Corona-Krise bewältigen soll. Vor dem EU-Gipfel am Donnerstag gehen sie aber offenbar einen Schritt aufeinander zu.

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Brüssel/Berlin/Rom – Beim EU-Gipfel ab Donnerstagnachmittag wollen die Staats- und Regierungschefs die Höhe des Wiederaufbaufonds festzurren, um nach der Corona-Krise die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Vor dem Gipfel sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel höhere Zahlungen Deutschlands in den EU-Etat zu, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie in Europa zu überwinden.

Für einen begrenzten Zeitraum sollten "wir deutlich höhere Beiträge zum europäischen Haushalt leisten", sagte Merkel am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Bundestag. Die italienische Regierung ging unterdessen auf Distanz zu ihrer umstrittenen Forderung nach Corona-Bonds. Wegen der Corona-Pandemie tagen die EU-Staats- und Regierungschefs ab Donnerstagnachmittag zum vierten Mal seit Anfang März per Videokonferenz. Diskutiert werden soll dabei die Frage, wie die langfristigen wirtschaftlichen Folgen der Krise bewältigt werden können.

Kurz lehnt Vergemeinschaftung der Schulden ab

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Mittwoch Solidarität mit den von der Corona-Krise hart getroffenen Ländern versichert. Zugleich betonte Kurz, er lehne eine Vergemeinschaftung von Schulden ab und fordere auch, dass EU-Hilfskredite wieder zurückbezahlt werden.

EU-Ministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sieht den EU-Gipfel als "Test für Europa, gemeinsam über dieses Virus hinwegzukommen". Auch Österreich werde "seinen Beitrag dazu leisten", sagte Edtstadler am Donnerstag vor dem Videogipfel der EU-Staats- und Regierungschefs im Ö1-"Morgenjournal".

Europäischer Marshallplan

Für die Erholung der Wirtschaft werden nach Einschätzung von EU-Ratschef Charles Michel "beispiellose Investitionen" im Rahmen eines europäischen Marshallplans nötig. Die Instrumente dafür seien der EU-Etat und die Europäische Investitionsbank, schrieb Michel vor dem EU-Gipfel am Donnerstag auf Twitter.

Bei dem Gipfel geht es auch um einen Wiederaufbaufonds, dessen Umfang und Details aber offen sind. Die Europäische Kommission erwägt einem internen Dokument zufolge eine zwei Billionen Euro schwere Finanzierung zum Wiederaufbau. Neben einem neuen Fonds solle das EU-Budget für die Jahre 2021 bis 2027 angezapft werden, um die Folgen der Pandemie zu dämpfen und nach der Krise wieder für Wirtschaftswachstum zu sorgen.

In dem Dokument heißt es, die Kommission könnte am Finanzmarkt 320 Milliarden Euro aufnehmen und in etwa die Hälfte an Regierungen in Europa weiterreichen. Ein Teil des Geldes könnte in Form direkter Zuschüsse ausgezahlt werden.

540 Milliarden gegen die Corona-Krise

Die EU-Finanzminister hatten sich vor zwei Wochen auf ein Hilfspaket von 540 Milliarden Euro gegen die akuten Folgen der Corona-Krise für die EU-Mitgliedsstaaten, Firmen und Arbeitnehmer verständigt. Dies soll der Gipfel nun abschließend unterstützen, damit es schnell umgesetzt werden kann. Merkel sagte, sie würde sich freuen, wenn das Geld zum 1. Juni wirklich da sei.

Beim Volumen reichen die Forderungen für den Wiederaufbaufonds von einigen hundert Milliarden bis zu zwei Billionen Euro. Hoch umstritten ist, ob die Gelder als Kredite oder nicht rückzahlbare Hilfen ausgegeben werden und ob der Fonds durch gemeinsame Schulden finanziert wird.

Bei den Gipfelberatungen am Donnerstag gehe es noch nicht darum, "die Details festzulegen oder über den Umfang zu entscheiden", sagte Merkel. Deutschland sei "aus Solidarität" aber vorübergehend zu deutlich höheren Beiträgen in den EU-Haushalt bereit, denn Europa sei "eine Schicksalsgemeinschaft", und "wir wollen, dass sich alle Mitgliedsstaaten der EU wirtschaftlich erholen können".

Debatte um Corona-Bonds

Das bereits hoch verschuldete Italien fordert seit Wochen Corona-Bonds, also gemeinsame Anleihen der EU-Staaten. Sie werden von Ländern wie Österreich, Deutschland und den Niederlanden als Vergemeinschaftung von Schulden abgelehnt.

Italiens Wirtschafts- und Finanzminister Roberto Gualtieri sagte nun der "Financial Times", seine Regierung hänge nicht an Begriffen wie Corona-Bonds. Er unterstützte aber einen Vorschlag Spaniens, "ewige" EU-Schulden von bis zu 1,5 Billionen Euro aufzunehmen, die dann als nicht rückzahlbare Gelder an die Mitgliedsstaaten weitergegeben würden. Falls dies nicht möglich sei, müssten es zumindest Kredite mit sehr langen Laufzeiten sein. (APA, 23.4.2020)