Europasteg zwischen Laufen (Bayern) und Oberndorf (Salzburg) im Frühjahr 2020. Vor dem Gitter auf österreichischer Seite der Oberndorfer Bürgermeister Georg Djundja (SPÖ), hinter dem Grenzgitter sein Laufener Amtskollege Hans Feil (CSU).

foto: stadt oberndorf

Bedürfte es eines Symbols für den Zustand der Europa-Idee, dann wäre ein kleiner Steg zwischen Oberndorf bei Salzburg und dem bayerischen Laufen ein aussagekräftiges Beispiel. Der 2006 erbaute Salzachübergang trägt zwar den nationenverbindenden Namen Europasteg, ist aber inzwischen gesperrt wie fast alle anderen Grenzübergänge zwischen Bayern und Salzburg auch; selbst unscheinbare Wanderwege wurden von den Behörden mit Markierungsbändern zugehängt.

In dem engstens verwobenen bayerisch-salzburgischen Grenzraum führten und führen die im März überfallsartig hochgezogenen Grenzregime zu ebenso skurrilen wie auch tragischen Situationen.

Händische Essensübergabe

De facto sei das bayerische Laufen und das Flachgauer Oberndorf eine Stadt, erläutert der Oberndorfer Bürgermeister Georg Djundja (SPÖ) die Situation. Die Feuerwehren hätten gemeinsame, grenzübergreifende Einsatzpläne, die Küche des Oberndorfer Krankenhauses versorge seit Jahren das Seniorenheim in Laufen.

Geliefert werden durfte das Essen in den ersten Wochen der Sperre allerdings nicht. Die Mahlzeiten mussten auf der anfangs ebenfalls abgeriegelten Straßenbrücke zwischen den beiden Orten händisch übergeben werden.

Mutter bleibt allein

Die Essensbelieferung für das Seniorenheim hat man inzwischen geregelt, andere Fälle, in denen ganze Familien zerschnitten werden, bleiben ungelöst. Bürgermeister Djundja berichtet von einem Schlaganfallpatienten aus Laufen, der im Salzburger Landeskrankenhaus behandelt wird. Die Gattin des schwerkranken Mannes blieb in Laufen zurück. Die auf der österreichischen Seite der Salzach wohnenden Kinder des Paares dürften ihre betagte Mutter nicht einmal besuchen.

Grenzübertretende Kinderbetreuung

Es hilft auch nichts, wenn man in einem systemrelevanten Beruf arbeitet. Die Salzburger Kinderanwältin Andrea Holz-Dahrenstaedt berichtet von einer Mutter in einem systemrelevanten Beruf, die ihre zwei Kinder zur Betreuung zum Vater der Kinder nach Bayern bringen wollte.

Der Versuch sei an den deutschen Behörden gescheitert. Eine bilaterale Lösung stehe noch aus, sagt Holz-Dahrenstaedt. Es gebe zwar einen Erlass in Österreich und Bayern, der das Besuchsrecht eines Kindes als Ausnahmegrund für einen Grenzübertritt nenne, doch die Grenzer unterstehen dem deutschen Innenministerium, und dieses agiere bei den Ausnahmeregelungen weit härter als Bayern.

Gegengleiches gibt es auch: Eine Großmutter, die nach Österreich kommen und den Schwiegersohn unterstützen wollte, weil ihre Tochter ein Baby bekommen habe, falle nicht "unter besonders zu berücksichtigende Gründen im familiären Kreis", heißt es bei den Salzburger Behörden.

Pärchen und Pendler

Kompliziert sei es auch für grenzüberschreitende Pärchen, erzählen Mitarbeiter der Corona-Hotline des Landes Salzburg. Wohne beispielsweise der Lebensgefährte in Bayern, könne dieser seine langjährige Freundin im Flachgau nur besuchen, wenn er glaubhaft machen kann, dass diese Beziehung "sozusagen eine feste ist". Die Möglichkeiten seien dabei durchaus kreativ: gemeinsame Fotos, das Facebook-Profil, ein Anruf, der aufklärend wirkt, auch Meldezettelkopien des Besuchten könnten helfen.

Zwischen Deutschland und Österreich wirklich frei bewegen dürfen sich nur Vertreter von Schlüsselberufen wie etwa Krankenhausmitarbeiter oder die tausenden Berufspendler, die täglich aus Bayern in den Salzburger Zentralraum einpendeln.

Inzwischen gibt es zumindest für den innerösterreichischen Pendlerverkehr zwischen dem Pinzgau und der Stadt Salzburg über das kleine deutsche Eck eine Lösung. Wer eine Pendlerbescheinigung hat, darf die Strecke zwischen Lofer und Bad Reichenhall ohne anzuhalten befahren. (Thomas Neuhold, Stefanie Ruep, 24.4.2020)