Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) will sich sichtlich nicht mit der Familienbeihilfe für 24-Stunden-Betreuerinnen auseinandersetzen. Und schon gar nicht mit der Kürzung ebendieser, wie sie Anfang 2019 von der damals schwarz-blauen Regierung durchgesetzt wurde. "Ich bitte Sie einfach, diese Dinge zu trennen", sagte sie im Ö1-Morgenjournal auf die Frage, ob diese Indexierung nun, da Betreuerinnen hofiert und mit allen Mitteln und Verkehrsmitteln ins Land geholt werden, nicht neu zu bewerten sei.

Die eine Sache, wiegelte Edtstadler ab, sei der Lohn für eine unverzichtbare Arbeit, dieser solle fair sein. Das andere aber sei ein Ersatz für die Kosten, die ein Kind verursacht, und die seien eben nicht in ganz Europa gleich hoch. Und überhaupt: Die Europäische Kommission sei am Zug zu bewerten, ob die Kürzung der Familienbeihilfe rechtmäßig war. Diese leitete bekanntlich wenige Tage nach Inkrafttreten der Regelung ein Vertragsverletzungsverfahren ein, der nächste Schritt könnte eine Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) sein.

Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP).
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Tatsächlich aber muss an beiden – und an wesentlich mehr – Schrauben gedreht werden. Dass eine Betreuerin im guten Fall für 70 Euro am Tag 24 Stunden für eine pflegebedürftige Person in Österreich da ist, ist bei weitem kein fairer Lohn – schon gar nicht, wenn Vermittlungsagenturen hunderte Euro im Jahr als Provision für ihre Tätigkeiten einbehalten. Und dass die Lebenserhaltungskosten in Osteuropa geringer sind als im Westen, ist als Argument für die Indexierung der Familienbeihilfe recht fadenscheinig, wenn die Mutter erstens ins österreichische Sozialsystem einzahlt und zweitens für das heimische Pflegesystem unverzichtbar ist, wie jetzt offensichtlich wird.

Nun, mitten in der Krise, wäre es angebracht, den Betreuungskräften, die am Rande der Erschöpfung durcharbeiten oder im Heimatland ohne Einkommen festsitzen, tatsächliche Wertschätzung entgegenzubringen. Und zwar nicht mit den Worten "Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei allen 24-Stunden-Betreuerinnen bedanken", wie sie heute von Edtstadler fielen, sondern indem diese diskriminierende Maßnahme zurückgenommen wird. Das könnte vielleicht auch jene Mitgliedsstaaten, mit denen die Europaministerin und viele ihrer Kolleginnen und Kollegen seit Wochen um Ausnahmen für Pflegepersonal ringen, dazu bewegen, sich auf solche einzulassen. (Gabriele Scherndl, 23.4.2020)