Die 23-jährige Pamela Reif ist erfolgreiche Fitness-Influencerin und turnt auf Instagram, einer Plattform, die sich besonders negativ auf die Körperwahrnehmung auswirkt.

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Im Ausnahmezustand der vergangenen Wochen hat sich der gewohnte Tagesablauf vieler Menschen radikal verändert. Das betrifft oftmals auch das Essverhalten. Unzählige Memes widmen sich den "Quarantäne-Snacks", die vornehmlich in der Jogginghose auf der Couch konsumiert werden – und auch der Angst vor ein paar zusätzlichen Kilos Körpergewicht. "Aufgrund des Coronavirus wurde mein Bikini-Body auf 2021 verschoben", so ein vielfach geteilter Witz – der wie so oft auf Kosten dicker Menschen geht.

Auf Instagram verbreitete sich das Hashtag "Quarantine 15", gemeint sind jene vermeintlichen 15 Pfund, die Menschen zugenommen haben oder es befürchten. "Ich erlebe zurzeit selbst vermehrt abwertende Kommentare über meinen Körper", erzählt Ina Holub dem STANDARD. "My body is not your post-quarantine nightmare", postete die Stylistin und Aktivistin gemeinsam mit einem Porträtfoto auf ihrem Instagram-Kanal, wo sie sich als "Fat Feminist Homo" bezeichnet. Dass dicke Körper als abschreckende Beispiele herangezogen werden, mache diskriminierende Strukturen sichtbar, so ihre Botschaft. "Viele Menschen haben panische Angst zuzunehmen, weil sie wissen, dass sie dann von der Mehrheitsgesellschaft abgestraft werden", sagt Holub.

Wie Instagram unglücklich macht

Auch abseits von Krisenzeiten hat die Arbeit am Idealkörper im Frühjahr Hochkonjunktur. Rund drei Viertel der Österreicherinnen würden laut einer Umfrage aus dem Vorjahr gerne an Gewicht verlieren – und haben durchschnittlich bereits 5,1 Diäten hinter sich. Angesichts geschlossener Fitnessstudios erfreuen sich Workout-Videos aktuell besonders großer Beliebtheit, auf Instagram zeigen Influencer ihre Quarantäne-Mahlzeiten und liefern Tipps, wie das eigene Wohnzimmer zum Kraftraum umgebaut werden kann. Zwischen Bilder von blubberndem Sauerteig und der Acai-Bowl mischen sich so Yoga-Posen oder Storys von der wöchentlichen Fitness-Challenge.

"Strong is the new skinny", dieses Schönheitsideal bescherte Fitness-Influencerinnen in den vergangenen Jahren einen wahren Boom. Nicht mehr dünne Körper gelten für Frauen als besonders erstrebenswert, definierte Oberarme und ein muskulöser Po sind Teil der neuen (Instagram-)Norm.

"Anstatt sich auf eine bestimmte Kleidergröße runterzuhungern, wie es noch vor ein paar Jahren Normalität war, gilt es heute, dem Körper gute, vollwertige Nahrung zuzufügen, um die sportlichen Ziele zu erreichen. Wer kann daran etwas Schlechtes finden?", schreibt Pamela Reif in ihrer Kolumne im "Handelsblatt". Die 23-Jährige ist eine der erfolgreichsten Fitness-Influencer*innen im deutschsprachigen Raum, über fünf Millionen Menschen folgen ihr auf Instagram. Reif zeigt sich bevorzugt an Traumstränden rund um den Globus, perfekt setzt sie ihren Waschbrettbauch in Szene und zeigt Übungen, die trotz Kräftigung keine "maskulinen Arme" verleihen. Andere Frauen wolle sie inspirieren, ihnen ein "Gefühl von Zufriedenheit und Selbstbewusstsein" vermitteln, schreibt Reif.

Schlechte Stimmung

Studien zur Social-Media-Nutzung und Fitness-Influencer*innen deuten in eine andere Richtung. So untersuchte ein australisches Forscher*innen-Team kürzlich die Wirkung von sogenannten #Fitspiration-Bildern auf junge Frauen zwischen 17 und 25 Jahren. Das Ergebnis: Im Unterschied zu Urlaubsbildern hatten die Fitness-Bilder einen deutlich negativen Effekt auf die Stimmung und die körperliche Selbstwahrnehmung der Teilnehmerinnen. Auch eine breit angelegte Studie der britischen Royal Society for Public Health aus dem Jahr 2017 stellt Instagram ein schlechtes Zeugnis aus. Rund 1.500 Jugendliche zwischen 14 und 24 wurden zu ihrer Social-Media-Nutzung befragt. Instagram wirkt sich besonders negativ auf die Körperwahrnehmung aus, so ein Ergebnis, und sorgt für "Fear of Missing out", also die Angst, angesichts kuratierter Erlebnisfotos anderer Nutzer*innen etwas zu verpassen oder ausgeschlossen zu sein.

Sehgewohnheiten verändern

Wer Social Media nutzt, sollte sich intensiv damit auseinandersetzen, auf wen die verschiedenen Plattformen zugeschnitten sind, sagt Body-Positivity-Aktivistin Ina Holub. Besonders erfolgreiche Accounts würden meist von Personen betrieben, die der Norm entsprechen: weiß, dünn, cis, hetero. Holub erlebt Instagram dennoch als empowernd – in der Vernetzung mit Gleichgesinnten. "Es bilden sich kleine Bubbles an Menschen, die sonst nicht zueinander gefunden hätten und sich jetzt stärken können. Allein zu wissen, dass jede mehrgewichtige Person denselben Beleidigungen ausgesetzt ist, hat mir sehr geholfen." Die eigene Sichtbarkeit nutzt Holub für Texte über Körperpolitik und Diskriminierung. Social Media könne ein nützliches Werkzeug sein, sich eigene Role Models zu suchen, die in Mainstream-Medien kaum verkommen. Holub ist überzeugt: Erlernte Sehgewohnheiten lassen sich auch verändern. (Brigitte Theißl, 26.4.2020)