Es dämmert in einen Hochsommermorgen, die Nacht zieht sich zurück, lautlos wie die Ebbe.

Foto: Philipp Traun

Einen ersten ungefähren Überblick über meine Situation bekomme ich im überdachten und einigermaßen heruntergekommenen Raucherbereich, in dessen Zentrum ein Holztisch steht, schmale Holzbänke rundherum, halbvolle Aschenbecher, Gratiszeitungen von letzter Woche, auf dem Boden von einer Katze vergessenes oder über Tage gemiedenes Futter in einer gesprungenen Glasschüssel, daneben Zigarettenstummel, Plastikflaschen und weiße Tassen, in denen die letzten Reste von altem Kaffee vertrocknen.

Es dämmert in einen Hochsommermorgen, die Nacht zieht sich zurück, lautlos wie die Ebbe. Es ist sechs Uhr morgens. Patient S. setzt sich zu mir in den Raucherbereich, grüßt beiläufig, indem er ein halbverständliches "Guten Morgen" grunzt, macht es sich halbschweigend bequem, sagt: "Scheiße, Kaffee vergessen!", steht auf, kommt nach zwei Minuten wieder, setzt sich noch einmal zu mir, schaut mich halbzufrieden an, verzieht das Gesicht und sagt: "Scheiße, Zigaretten vergessen!".

Er steht ein zweites Mal auf und kommt nicht mehr wieder. Eine Stunde später sehe ich ihn, wie er in einem Rollstuhl von Mitarbeitern des Roten Kreuzes aus dem Gebäude geschoben wird. Er winkt zum Abschied und sagt halbbegeistert: "Schwerer epileptischer Anfall". Ich winke halbbesorgt zurück. (Philipp Traun, 25.4.2020)