Lesothos umstrittener Premier Thomas Thabane denkt nicht an Rücktritt. Das sagte der Regierungschef des Gebirgskönigreiches in einem Interview mit der "Lesotho Times", der wichtigsten Wochenzeitung der kleinen Enklave inmitten Südafrikas.

In einem seit Monaten andauernden bizarren Machtkampf ließ Thabane, gegen den wegen Mordes an seiner Ehefrau Lipolelo im Jahr 2017 ermittelt wird, am vergangenen Samstag in Lesothos Hauptstadt Maseru das Militär auffahren. Die Regionalmacht Südafrika reagierte daraufhin mit einer diplomatischen Vermittlungsmission durch Jeff Radebe, den Gesandten des südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa. Als Resultat der Gespräche wurde Thabane in einem von Radebe und Lesothos Vizepremier Monyane Moleleki unterzeichneten Kommuniqué ein "würdiger Ruhestand" zugesichert, den er jedoch Radebe zufolge "sofort" antreten müsse.

Thabane erklärte nun gegenüber der "Lesotho Times", sein Ruhestand sei eine private Angelegenheit, die von ihm gemeinsam mit seinen Kinder diskutiert und entschieden würde, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen sei. Er sei noch immer der rechtmäßige Führer der Regierungspartei All Basotho Convention (ABC) und als solcher Chef der regierenden Vier-Parteien-Koalition. Seine Amtszeit Ende 2022, und nicht, wenn es einer seiner Gegner sage. Jemand, dem er nicht berichtspflichtig sei, habe nicht das Recht, ihn zu einem Rücktritt zu drängen, erklärte Thabane – ein Seitenhieb auf Ramaphosa und seinen Gesandten Radebe.

"Kein Verbrechen begangen"

"Ich habe kein Verbrechen begangen. Ich habe nie etwas abgelehnt, was mir mit Vernunft vorgelegt wurde. Aber ich kann von keinem Menschen auf dieser Welt herumgeschubst werden. Ich habe nur Angst vor Gott. Schreiben Sie, dass ich sagte 'Es gibt keine einzige Person auf dieser Welt, vor der ich Angst habe'," erklärte Thabane in dem Interview. Er werde sein Amt nur auf seinen eigenen Wunsch und zu einem von ihm gewählten Zeitpunkt verlassen.

Thomas Thabane denkt nicht an vorzeitigen Rückzug und beklagt, seine Gegner würden "mit seinen grauen Haaren herumspielen".
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Der 80-jährige Thabane hatte zuletzt seinen Rücktritt "aus Altersgründen" für den 31. Juli angekündigt, doch von praktisch allen politischen Parteien – selbst großen Teilen von Thabanes eigener ABC-Partei – wird ein sofortiger Rückzug verlangt. Thabane empfindet dies als Respektlosigkeit. "Sie können nicht mit meinen grauen Haaren herumspielen", erklärte er. Mit seinen fast 81 Jahren solle er von den "machthungrigen jungen Leuten" als "Quelle der Weisheit" angesehen, statt respektlos behandelt zu werden.

Neue Koalition startbereit

Die innerparteilichen Gegner des Premiers haben sich längst auf Finanzminister Moeketsi Majoro als neuen ABC-Chef und mit der Oppositionspartei Democratic Congress (DC) auf eine neue Koalition geeinigt. Diese wird auch von zwei bisherigen Koalitionspartnern, der Basotho National Party (BNP) und dem Reformed Congress of Lesotho (RCL), gestützt, ebenso wie von der oppositionellen Popular Front for Democracy (PFD). Damit hat die neue Koalition die nötige Mehrheit von 61 Abgeordneten im 120 Sitze umfassenden Parlament sicher, denn von den 52 ABC-Abgeordneten unterstützten 34 den Deal mit dem DC. Die fünf Parteien erklärten in einem gemeinsamen Statement, Thabane sei amtsunfähig.

Irrationale Parlamentsausschaltung

Thabane hatte versucht, im Rahmen der Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie das Parlament per dreimonatige Prorogation auszuschalten. Damit wollte er einem Misstrauensvotum zuvorkommen. Am Freitag kassierte das Verfassungsgericht die Aussetzung des Parlaments und bezeichnete die Entscheidung als "irrational". Ebenso wurde Thabanes Versuch, Polizeichef Holomo Molibeli zu feuern, von Gericht gestoppt.

Molibeli hatte seit Dezember die Ermittlungen im Mordfall Lipolelo Thabane vorangetrieben. Diese war im Juni 2017, nur zwei Tage vor der neuerlichen Angelobung ihres Mannes als Premier, von mehreren Tätern in ihrem Auto vor ihrem Haus erschossen worden. Ihre ebenfalls im Auto sitzende Freundin Thato Sibolla überlebte schwer verletzt.

Anruf vom Tatort

Dem Mord ging ein langer Scheidungskrieg voran, Lipolelo verweigerte die Scheidung und beharrte auf ihren Rechten als First Lady. Thomas Thabane lebte jedoch schon mit Lipolelos Nachfolgerin Maesaiah zusammen, die er zwei Monate nach dem Mord in einer pompösen Zeremonie heiratete. Auch gegen Maesaiah wird wegen Mordes ermittelt. Molibeli konfrontierte Thabane in einem Brief damit, dass vom Tatort sein Mobiltelefon angerufen wurde. Darauf wollte der Premier den Polizeichef absetzen, scheiterte jedoch.

Thabanes Militäreinsatz am Samstag hatte das Ziel, Molibeli und seine Stellverteter Paseka Mokete und Beleme Lebajoa zu verhaften und dem Vizepolizeichef Sera Makharilele die Leitung der Polizei zu übertragen. Der Armeechef Mojalefa Letsoela verweigerte jedoch die Festnahme der Polizeiführung und überzeugte Makharilele bei einem Besuch im Polizeihauptquartier am Samstag Morgen persönlich, seine Ernennung abzulehnen, da diese im Widerspruch zu den Gerichtsurteilen über die illegale Entlassung Molibelis stehe. Die Armee zog sich danach wieder in ihre Quartiere zurück, und Südafrika schickte seine Delegation zu zweitägigen Verhandlungen.

Molibeli selbst erklärte gegenüber der "Lesotho Times", er verdanke sein Leben Letsoela. Die von Thabane angeordnete Festnahme habe zum Ziel gehabt, dass er Widerstand leiste und damit einen Vorwand für seine Tötung liefere.

Polizeiminister kauft illegal Whisky

Der Befehl zu seiner Verhaftung sei auch ein Versuch gewesen, die Strafverfolgung des Polizeiministers Lehlohonolo Moramotse zu verhindern, der trotz eines bestehenden Verkaufverbotes von Alkohol im Zuge der Maßnahmen der Regierung gegen die Verbreitung des Coronavirus beim Kauf von zwei Kisten Whisky erwischt wurde.

Moramotse hatte Makharilele schriftlich mit der Polizeiführung betraut. Doch nach Letsoaleas Intervention im nun in zwei Lager gespalteten Polizeihauptquartier antwortete Makharilele an den Minister: "Zwar bin ich verpflichtet, die Befehle meiner Vorgesetzten anzunehmen, doch es ist wichtig, dass diese dem Gesetz entsprechen. Polizeichef Molibeli hat die Anweisung, bis zum Abschluss seines Verfahrens im Amt zu bleiben. Ich bitte daher demütig, dass die Angelegenheit so lange auf Eis gelegt wird, bis der Fall endgültig geklärt ist. Ich hoffe, dass dies nicht Missachtung der Befehle gesehen wird."

Rücktritt am besten gestern

Montoeli Masoetsa, der Sprecher des ABC, erklärte am Mittwoch, das Land könne nicht bis Juli warten, Thabane müsste sofort gehen. DC-Chef Mathibeli Mokhuthu, der in der neuen Regierung das Vizepremiersamt übernehmen soll, warnte Thabane vor einem "schändlichen Abgang" per parlamentarischem Misstrauensvotum. "Wir haben dem Gesandten Radebe gesagt, dass wir wollen, dass Thabane am besten gestern abtritt." Der Senat werde eine Verfassungsänderung absegnen, die Schlupflöcher schließt, mit denen der Premier ein Misstrauensvotum abwenden könnte.

Das Parlament hatte schon vor der Prorogation beschlossen, dem Premierminister das Recht zu streichen, im Falle eines Misstrauensantrages das Parlament aufzulösen und Neuwahlen auszurufen. Dies ist in der jüngeren Vergangenheit schon mehrmals geschehen. Nach dem Senat muss noch König Letsie III. die Verfassungsänderung abzeichnen. "Wenn Thabane nicht jetzt gehen will, wird er eine Demütigung im Parlament erleben", sagte Mokhuthu. (Michael Vosatka, 24.4.2020)