Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Wien – Wegen der Corona-Krise sind derzeit Grundrechte "dramatisch eingeschränkt". Dies sei "nur durch die außergewöhnliche Situation gerechtfertigt" – und die Einschränkungen dürften nur so lange gelten, als sie unbedingt nötig sind, "sie müssen also mit einem Ablaufdatum versehen sein", stellte Bundespräsident Alexander Van der Bellen Freitag bei der Angelobung von VfGH-Vizepräsidentin Verena Madner fest.

"Außergewöhnliche Umstände"

Die Umstände der Angelobung waren "außergewöhnlich", konstatierte der Bundespräsident in seiner kurzen Rede, "weil wir alles tun, um die Pandemie wirksam einzudämmen – mit dem Ziel, dass unsere Gesundheit und Leben geschützt bleiben". Deshalb seien das Recht auf Familienleben, die Versammlungsfreiheit, das Recht auf Erwerbsfreiheit dramatisch eingeschränkt.

Der Moment der Angelobung.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Im Umgang mit solchen Krisensituationen zeige sich, "wie groß der Gestaltungsspielraum innerhalb des rechtsstaatlichen Rahmens sein kann". Dennoch gehe es um "heikle" – aber "weder neue noch seltene" – Grundrechtsabwägungen, auch im Spannungsverhältnis von Freiheit und Gleichheit. Die "dramatischen Einschränkungen" werden auch den VfGH beschäftigen. Van der Bellen ist überzeugt, "dass der Verfassungsgerichtshof sich auch in dieser außerordentlich heiklen Situation bewähren wird". Schließlich sei der Gerichtshof seit 100 Jahren "der Hüter der modernen, liberalen Demokratie".

Kleiner Rahmen

Alles andere als üblich war auch der Auftritt Van der Bellens in der Präsidentschaftskanzlei: Seit dem Lockdown Mitte März war er (abgesehen von den sozialen Medien) nur in zwei TV-Ansprachen öffentlich zu sehen.

Die Angelobung Madners fand in kleinstem Rahmen statt, anstelle des üblichen Handschlags nach der Eidesformel hob Madner, weit entfernt vom Bundespräsidenten stehend, die rechte Hand. Für die Fotos danach stellten sich Van der Bellen, Madner und VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter mit Abstand nebeneinander auf.

VfGH damit wieder vollzählig

Madner "freut sich sehr" auf ihre neue Tätigkeit – die "eine große Herausforderung und zugleich sicher eine der interessantesten juristischen Aufgaben in unserem Land" sei. Mit ihrer Angelobung ist der Verfassungsgerichtshof nach mehr als zehn Monaten wieder vollzählig besetzt. Der Posten des Vizepräsidenten wurde frei, als Grabenwarter neuer Präsident wurde – in Nachfolge Brigitte Bierleins, die nach dem Ibiza-Crash der Regierung vor einem Jahr die Funktion der Bundeskanzlerin übernahm. Madner ist die erste Verfassungsrichterin, die auf Vorschlag der Grünen – formal von der Bundesregierung – nominiert wurde. (APA, 24.4.2020)

Die 14 Verfassungsrichter:

Muster: Name (seit wann im VfGH/von welcher Partei vorgeschlagen)

Präsident Christoph Grabenwarter (2005/ÖVP)
Vizepräsidentin Verena Madner (2020/Grüne)
Claudia Kahr (1999/SPÖ)
Johannes Schnizer (2010/SPÖ)
Helmut Hörtenhuber (2008/Ö)
Markus Achatz (2013/ÖVP)
Christoph Herbst (2011/ÖVP)
Georg Lienbacher (2011/ÖVP)
Michael Holoubek (2011/SPÖ)
Sieglinde Gahleitner (2010/SPÖ)
Ingrid Siess-Scherz (2012/SPÖ)
Wolfgang Brandstetter (2018/ÖVP)
Andreas Hauer (2018/FPÖ)
Michael Rami (2018/FPÖ)