Das 1856 in der Monarchie als "Waffenmuseum" gegründete HGM behandelt österreichische Militärgeschichte, steht aber seit Jahren immer wieder in der Kritik.

Foto: APA/Helmut Fohringer

Das Heeresgeschichtliche Museum (HGM) war das einzige Museum, das schon vor der Covid-19-Realität von einer Schließung bedroht war: "Eigentlich müsste man es sofort zusperren", sagte etwa der Politikwissenschafter und Zeithistoriker Walter Manoschek noch im Jänner. Der Grund: Das HGM stand seit letztem Sommer in mehrfacher Hinsicht in der Kritik.

Diskutiert wurde die von Kritikern als unzureichend empfundene Beschilderung und generelle Konzeption der Ausstellung, vor allem im Saal "Republik und Diktatur", der sich mit der Zeit von 1918 bis 1945 beschäftigt; im Museumsshop seien rechtslastige Literatur und Wehrmachts-Modellbau-Utensilien vertrieben worden, ebenso bei Veranstaltungen mit Flohmarkt-Händlern; ein Mitarbeiter des HGM habe Wikipedia-Artikel über Personen mit NS-Bezügen "reingewaschen"; hinzu kamen Vorwürfe über schöngefärbte Besucherzahlen, etwa durch die Einberechnung von Besuchern bei Festen und Veranstaltungen; und nicht zuletzt sorgte für Diskussionen, dass das Haus zur beliebten Anlaufstelle für Mitglieder der rechtsextremen Identitären Bewegung und auch des rechtsterroristischen Attentäters von Christchurch geworden war.

Mehrere Kommissionen prüfen

Übergangs-Verteidigungsminister Thomas Starlinger reagierte auf die Vorwürfe und setzte eine Reihe von Kommissionen ein, deren Ergebnisse nun Nachfolgerin Klaudia Tanner (ÖVP) nach und nach vorgelegt werden. In der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Grünen gab die Verteidigungsministerin nun einen ersten Einblick in den Evaluierungsprozess.

Eine Kommission zur inhaltlichen Aufstellung des Hauses, die sich aus "Militärhistorikern, Vertretern der Universitäten Wien und Graz, langjährigen Museumsdirektoren, erfahrenen Geschäftsführern musealer Institutionen, des Dokumentationsarchives des österreichischen Wiederstandes und des Center for Military Studies (CMS) / Karl-Franzens-Universität Graz" zusammensetze, sei zu der Erkenntnis gelangt, dass sich "explizite Hinweise auf antisemitische, rassistische oder rechtsextreme Inhalte in der Ausstellung nicht finden" – der Abschnitt "Republik und Diktatur" solle aber einer "zeitgemäßen Neuaufstellung" unterzogen werden.

Veranstaltungen künftig ohne Flohmärkte

Die Kommission zur Überprüfung des Museumshops werde ihren Bericht bis 15. Juli vorlegen, geleitet werde diese von Wolfgang Müller, Professor am Institut für Osteuropäische Geschichte an der Universität Wien und Vorsitzender des Militärhistorischen Beirats der Wissenschaftskommission beim BMLV. Unterstützt werde dieser von Experten vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes.

Frisierte Besucherzahlen weist die Ministerin in ihrer Beantwortung als "Unterstellung" zurück, die kritisierte Veranstaltung "Auf Ketten und Rädern" wolle man auch in Zukunft abhalten, dabei allerdings auf Flohmärkte verzichten. Festzuhalten sei aber, "dass bei der Veranstaltung im Jahr 2019 keine Gegenstände verkauft wurden, die dem Verbotsgesetz, dem Abzeichengesetz oder dem Symbolegesetz unterliegen und die Veranstaltung an allen Veranstaltungstagen durch Sicherheitsorgane der Landespolizeidirektion Wien inspiziert worden war".

Direktor "bewährt und fachlich geeignet"

Vorgelegt wurde Tanner bereits am 10. Jänner auch ein Gutachten einer "Weiterbestellungskommission", der im Wesentlichen Personen aus dem Verteidigungsministerium angehören und die die fachliche Eignung des Museumsdirektors Christian Ortner evaluieren sollte.

Die Kommission sei zu dem Schluss gekommen, dass sich "Ortner in Ausübung seiner Funktion als Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums bewährt hat und im Hinblick auf seine fachliche Qualifikation, seine Fähigkeit zur Menschenführung und seine organisatorischen Fähigkeiten für die weitere Ausübung dieser Funktion als geeignet angesehen wird". Eine abschließende Entscheidung darüber steht noch aus, ein Rechnungshofbericht, der ersten Gerüchten zufolge ein unschönes Bild zeichnen soll, liegt der Ministerin ebenfalls noch nicht vor.

Blimlinger: "So wird das nichts mit einer Neuausrichtung"

Kritik an Tanners erstem Fazit der Evaluierungen kommt postwendend von der Kultur- und Wissenschaftsprecherin der Grünen, Eva Blimlinger: "Dass das Urteil der Weiterbestellungskommission über Ortners Arbeit so mild ausfällt, könnte freilich an deren Zusammensetzung liegen", sagt Blimlinger. Diese sei nämlich "aus museologischer und geschichtswissenschaftlicher Sicht eine Fehlbesetzung, keine Fachleute aus dem wissenschaftlich-musealen Betrieb, sondern beinahe ausschließlich Personen aus dem Verteidigungsressort – so wird das nichts mit einer Neuausrichtung."

Blimlinger verweist noch einmal auf eine Tagung im Jänner mit mehr als 30 Fachleuten aus Wissenschaft, Kunst und Kultur, wo grundsätzliche Kritik an der Gesamtkonzeption und der missverständlichen Präsentation des Museums geübt wurde. "Es fehlt jeder Kontext, und nationalsozialistische Artefakte werden unkommentiert präsentiert. Immerhin räume die Ministerin nun aber ein, dass der Abschnitt "Republik und Diktatur" einer zeitgemäßen Neuaufstellung unterzogen werden soll, so Blimlinger.

Wegen Corona noch geschlossen

Bis wann das aufgrund der Corona-Krise geschlossene HGM wieder öffnen könnte, war am Freitag noch nicht klar. Zumindest virtuell pries das Haus zuletzt eine nähere Begutachtung seiner "Ruhmeshalle" an: Auf der Website www.hgm.at können die 150 Jahre alten Fresken des Historienmalers Carl von Blaas per Mausklick aus der Nähe betrachtet werden. Dargestellt sind bedeutende Episoden der österreichischen Militärgeschichte vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert. (Stefan Weiss, 24.4.2020)