Grünen-Chef Werner Kogler und Klubobfrau Sigrid Maurer haben seit Regierungsantritt viel Erklärungsbedarf.

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MEDIENFÖRDERUNG: Geld für rechts außen

Illustration: Fatih Aydogdu

Sechsundsechzigtausend Euro erhält die vom FPÖ-Altvorderen Andreas Mölzer mitherausgegebene Zeitschrift Zur Zeit an Corona-Sonderförderung – mehr als beispielsweise das Wirtschaftsmagazin Trend. Und das, obwohl in Zur Zeit Verschwörungstheorien zur Corona-Pandemie verbreitet werden.

Das ist nur eine der Merkwürdigkeiten an der Corona-Sonderförderung für Medien. Diese benachteiligt systematisch Qualitätsmedien wie STANDARD, Presse und Profil, während der Boulevard Millionenbeträge erhält. Online-Publikationen wurden gar nicht bedacht. Dabei hatten sich die Grünen die Förderung von Qualität und Medienvielfalt jahrelang auf die Fahnen geschrieben. Warum nicht bei Corona? Zu wenig Zeit, hieß es in sozialen Medien. (Fabian Schmid)

UMWELTSCHUTZ: Steuerreform irgendwann

Illustration: Fatih Aydogdu

Umweltschutz ist die Kernkompetenz der Grünen – und die Erwartungen sind gerade hier sehr hoch. Aber angesichts der akuten Corona-Krise wird zurückgedrängt, was seit der jahrzehntelang bekannten Klimakrise bekannt ist: Umweltschädliche Regelungen im Steuersystem gehören so schnell wie möglich ausgemerzt.

Stattdessen wurde gleich die erste Gelegenheit, eine umweltschädlliche Subvention auslaufen zu lassen, verpasst: Bisherige Pendler kommen in den Genuss der Pendlerpauschale, selbst wenn sie gar nicht pendeln.

Sinkende Erdölpreise führten zu einem Preisverfall an der Tankstelle, ohne dass auch nur daran gedacht wurde, steuerlich steuernd einzugreifen, und ein Gesamtkonzept für eine ökosoziale Steuerreform ist aufgeschoben. (Conrad Seidl)

KUNST UND KULTUR: Sinnbildliche Ignoranz

Illustration: Fatih Aydogdu

Die Bestellung von Ulrike Lunacek zur Staatssekretärin für Kunst und Kultur sorgte für Befremden, die Grüne hatte bis dahin keinerlei berufliche Berührungspunkte mit dem Thema. Ihr gelang es in der Folge nicht, sich Respekt zu verschaffen oder in der Kulturszene akzeptiert zu werden, im Gegenteil: Mit ihrem jüngsten Auftritt an der Seite von Werner Kogler, als beide inhaltsleer um die Wette schwafelten, brachte sie die gesamte Kulturszene gegen sich auf.

Das Desinteresse, das die Regierung der Kultur entgegenbringe, manifestiere sich in der Unbeholfenheit und Ahnungslosigkeit der dafür zuständigen Staatssekretärin, lautete der Vorwurf. Lunacek stehe sinnbildlich für die Ignoranz, mit der auch die Grünen dem Kulturbetrieb gegenüberstehen. (Michael Völker)

FORMEL 1: Mögliche Geisterrennen

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Während sich 99 Prozent der Österreicher an die strikten Ausgangsbeschränkungen halten, will Werner Kogler dem Formel-1-Grand-Prix in Spielberg nicht im Weg stehen, wie er mehrfach betonte: Anstatt sofort auf die Bremse zu steigen, hält der Sportminister gar Geisterrennen für möglich.

Geht’s noch unökologischer? Abgesehen davon, dass sich der vielköpfige Rennfahrertross als gefährliche Virenschleuder herausstellen könnte, gilt dieser Motorsport als veritable Emissionsschleuder: Zuerst müssten die vielköpfigen Teams extra eingeflogen werden, dann verpesten sie mit ihren Boliden die Luft! Hätten Strache, Hofer & Co so ein Spektakel befürwortet, wäre eine grüne Demo garantiert gewesen – und zwar wohl mit Kogler in der ersten Reihe. (Nina Weissensteiner)

ASYLPOLITIK: Mittragen einer türkisen Handschrift

Illustration: Fatih Aydogdu

Schon bei den Koalitionsverhandlungen konnten sich die Grünen in wesentlichen Punkten nicht durchsetzen. Mit der Sicherungshaft schaffte es ein No-Go für die grüne Basis ebenso ins Regierungsprogramm wie ein Nein zu einer europäischen Verteilung von Flüchtlingen. Darin verankert wurde auch ein "koalitionsfreier Raum", sollte es einen türkis-grünen Dissens bei einer neuerlichen Fluchtkrise geben. Andere Mehrheiten findet die ÖVP wohl leichter. Das ist ein Vorteil. In dieser Tonart geht es weiter.

Wenn die ÖVP keine Flüchtlinge aus den chronisch überfüllten Lagern in Griechenland aufnehmen will, dann ist das in der Koalition Gesetz. Die Grünen äußern zwar vereinzelt einen gegenteiligen Wunsch, kommen damit aber nicht durch.

Vor vier Wochen verkündete das Innenressort von Karl Nehammer (ÖVP) zudem einen De-facto-Einreisestopp für Asylwerber ohne Gesundheitszeugnis während der Corona-Krise. Das komme einer Absage ans Asylrecht gleich, sagen Juristen. Die Grünen halten genau das für verfassungswidrig, der Aufschrei dagegen blieb aber aus.

Im April 2016 warnten die Grünen noch vor einer "Abschaffung des Asylrechts" durch die rot-schwarze Regierung. Eine "Notverordnung" ermöglichte es, Flüchtlingen die Einreise zu verweigern, sollte sich durch die damalige Vielzahl an Asylanträgen eine Krisensituation für die Republik abzeichnen. Eine Ausnahme: beispielsweise wenn der Person im Einreiseland Folter drohte. (Jan Michael Marchart)

U-AUSSCHUSS: Aufklärung blockiert

Illustration: Fatih Aydogdu

Die Grünen wollen einen Untersuchungsausschuss enger fassen und Themengebiete wie Postenschacher außen vor lassen? Bis vor wenigen Monaten war das undenkbar gewesen, hatten doch die Grünen jahrelang für Minderheitenrechte im Parlament gekämpft. Kaum in der Regierung, vertraten die Grünen aber plötzlich die Rechtsansicht, der Ibiza-U-Ausschuss sei "zu weit gefasst", ein "Wald-und-Wiesen-Ausschuss", wie Vizekanzler Werner Kogler sagte.

Die Opposition ging in Gestalt von SPÖ und Neos vor den Verfassungsgerichtshof, der schmetterte die türkis-grüne Blockade ab. Dass sie mit ihren juristischen Argumenten eigentlich recht gehabt hätten, behaupten die Grünen aber nach wie vor. (Fabian Schmid)

PARLAMENTARISMUS: Sammelgesetze zum Abnicken

Illustration: Fatih Aydogdu

Als jahrzehntelange Oppositionspartei im Bund haben die Grünen den Parlamentarismus immer hochgehalten. Oft genug kritisierten sie ein "Drüberfahren" der Regierungsparteien über das Parlament. Nun sehen sie sich selbst mit dem Vorwurf konfrontiert.

Gerade im Umgang mit dem Coronavirus wirft die nunmehrige Opposition der türkis-grünen Regierung fehlende Transparenz und Einbindung vor. So monieren SPÖ, FPÖ und Neos, dass ihnen Türkis-Grün die unübersichtlichen Covid-19-Gesetzespakete erst kurz vor der Abstimmung vorgelegt habe, um sie dann im nationalen Schulterschluss absegnen zu lassen. Für präzise Begutachtung oder Abänderungsanträge blieb da keine Zeit.

Auch was das Abstimmungsverhalten betrifft, hält das türkis-grüne Klubchef-Duo August Wöginger und Sigrid Maurer das Zepter fest in der Hand. (Sinnvolle) Anträge der Opposition mittragen? Fehlanzeige. Bei Abstimmungen fahren die grünen Abgeordneten brav die Regierungslinie. Jüngstes Beispiel: Als die Opposition am Mittwoch in der Plenarsitzung den Kanzler, der nach seiner Erklärung an einer Videokonferenz teilnahm, herbeischaffen wollte, stimmten die grünen Abgeordnete gemeinsam mit den ÖVP-Kollegen gegen den Antrag.

Die Opposition empfand die Abwesenheit von Kurz als Missachtung des Parlaments. Etwas, das die Grünen als Oppositionspartei wohl ähnlich gesehen hätten. (Davina Brunnbauer)

(Die Innenpolitikredaktion, 25.4.2020)