Im März hat Chris Lohner ihre Autobiografie ("Ich bin ein Kind der Stadt") vorgestellt – zwangsläufig auf Youtube.

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"Langweilig ist mir in der Zeit der Isolation sicher nicht geworden, ich habe sogar viel gelernt. Ich habe mir für mein Handy ein Stativ bestellt und drehe jetzt Videos, die ich auf Youtube veröffentliche. Texten, Sprechen, Aufnehmen, das mache ich alles selbst. Ich finde, ich schaue dabei auch ganz ordentlich aus. Im Moment produziere ich ein Video für das Viktor-Frankl-Museum. Durch diese Aktivitäten ist mir wieder bewusst geworden, dass mir das Texten liegt. Nach der Krise werde ich mein Portfolio um diese Tätigkeit erweitern.

Außerdem sind meine Telefonate in den vergangenen Wochen länger geworden. Ich habe keine Familie mehr, aber ich telefoniere leidenschaftlich gern mit Freunden. Oft dauern die Gespräche bis zu einer Stunde. Ich führe sogar Listen, damit ich niemanden vergesse. Ich lebe sehr bewusst und habe das Glück, dass ich schon so alt bin – so lassen sich manche Dinge besser einordnen. Ich bin 1943 in einer völlig anderen Zeit geboren.

Damals wusste man wirklich nicht, wie es weitergeht, man hatte kein Dach über dem Kopf, keine Heizung, nichts zu essen. Die heutige Krise hingegen erlebt ein Großteil der Gesellschaft in den Industrieländern im Luxus. Wahrscheinlich werde ich danach vermissen, dass die Menschen wieder mehr zusammengerückt sind. Es gehen mir aber durchaus Dinge ab. Ich lebe allein mit meinem Hund, er muss jetzt aushalten, dass ich ihn besonders liebevoll abknuddle. Da auch die Bundesgärten wieder offen sind, habe ich meinen Garten nun für Freunde geöffnet. Sie besuchen mich, und wir sitzen gemeinsam im Grünen – mit Abstand natürlich.

Am meisten haben mir die Treffen mit Freunden und die körperliche Nähe gefehlt, ich umarme gerne Menschen. Wenn sich die Situation wieder normalisiert hat, werde ich als Erstes mit ihnen ein Gartenfest feiern. Es wird Pasta und selbstgemachtes Bärlauch-Pesto geben, wir werden alle durcheinanderreden und uns freuen, dass wir einander sehen." (feld, 24.4.2020)