Wenn viel Geld über den Tisch wandert, ist Kontrolle ein Knackpunkt.

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Es könnte die größte Feuerlöschaktion seit dem Zweiten Weltkrieg werden, die gerade anläuft. Wird der Brandherd der Corona-Krise nicht rasch abgegrenzt, drohen Österreich die tiefste Rezession in Friedenszeiten, eine beispiellose Pleitewelle und Massenkündigungen, die über einen Rückgang der Konsumausgaben die Abwärtsspirale beschleunigen. Der Shutdown hätte dann zwar Menschenleben gerettet, aber Millionen in den Ruin oder Jobverlust getrieben.

Nach ersten Fehltritten beim Härtefallfonds für kleine Unternehmen und Selbstständige sowie diversen Problemen mit der Abwicklung von Kreditgarantien über Banken soll die Feuerwehr nun – außer Sirenengeheule – ohne Begleitmusik den Brand stoppen. 15 Milliarden Euro an Kreditgarantien und Zuschüssen aus dem Corona-Krisenfonds sollen den Betrieben das Überleben sichern.

Mittlerweile steht die Struktur für die Abwicklung, die freilich erst recht zu lauter Kritik führt. Der Bund hat die Covid-19-Finanzierungsagentur (Cofag) aus der Taufe gehoben, die zur zentralen Drehscheibe des Krisenmanagements werden soll.

Der Krisenfonds

Sie arbeitet trotz offener Fragen zur Einbindung der Opposition auf Hochtouren: 1000 Kreditanträge gehen täglich ein, 2650 sind bereits genehmigt, es geht um 483 Millionen Euro. Abgelehnt habe die Cofag noch keinen Antrag, heißt es auf Anfrage.

Die beiden neuen Chefs der Cofag arbeiten Tag und Nacht, berichten Eingeweihte. Daumen rauf oder runter – davon wird das Überleben vieler Unternehmen abhängen. Die beiden Männer, die über die Liquiditätszuschüsse maßgeblich entscheiden, kennen sich aus einer anderen Krise: jener der Hypo Alpe Adria.

Als der damalige Finanzminister Hans Jörg Schelling die Abbaugesellschaft der verstaatlichten Hypo namens Heta trotz Kärntner Landeshaftung via Schuldenschnitt zulasten der Gläubiger durchsetzte, war ein gewisser Bernhard Perner im Kabinett des ÖVP-Ministers für Banken und Kapitalmärkte zuständig. Als die Geschichte der Skandalbank 2015 in einem Untersuchungsausschuss aufgearbeitet wurde, begleitete ein Bankenprofi den grünen Hypo-Aufdecker Werner Kogler auf Schritt und Tritt: Marc Schimpel.

Der damalige Büroleiter des grünen Fraktionschefs im Ausschuss und der Berater mehrerer schwarzer Finanzminister sind seit kurzem Kollegen und Feuerwehrkommandanten zugleich: Perner (40) und Schimpel (43) leiten die Cofag. Ob dieser Konstellation darf man gespannt sein: Perner, einst bei Deloitte, gilt als fachkundiger, aber auch von sich eingenommener Macher.

Grün-türkise Macher

Selbst in der ÖVP gibt es Perner gegenüber trotz inhaltlicher Kompetenz große Vorbehalte, seit er mit seinem Weggefährten Thomas Schmid in der neuen Staatsholding Öbag Verstaatlichungspläne wälzt. Die beiden wechselten vor einem Jahr aus dem Finanzministerium in die Holding und erstellten eine Liste mit 100 strategisch wichtigen Betrieben, bei denen der Staat potenziell einsteigen könnte. "Größenwahn" nennt das einer, der Schmid und Perner politisch eigentlich nahesteht.

Schimpel verhält sich da schon zurückhaltender und wird als seriöser Experte beschrieben. "Er war schon im Parlament unglücklich, weil Kogler immer im letzten Moment plötzlich ein dringendes Briefing brauchte", erzählt ein Wegbegleiter. Nach seinem Abgang aus dem Grünen Klub dockte Schimpel ebenfalls bei einem Berater – PwC – an.

Auch andere Einsatzkräfte gehören alten Seilschaften an. Cofag-Aufsichtsratspräsident etwa ist Michael Mendel. Er war einst bei der Investkredit, nach der Verstaatlichung der Volksbanken AG im Vorstand von deren Abbaugesellschaft Immigon und im Vorstand der für Bankenhilfen zuständigen Abbag. Die KPMG war einst Bankenprüferin der Kommunalkredit, Expartner Martin Wagner sitzt nun im Cofag-Aufsichtsrat.

Infight mit Opposition

Feuerwehreinsätze sind heikel, manchmal richten sie mehr Schaden an, als Gefahr abzuwenden. Wenn Einsatzwagen nicht rechtzeitig losgeschickt werden oder sich gegenseitig blockieren, könnte es zur Brandbekämpfung zu spät sein. Andererseits wäre zu großzügig ausgeschüttete Liquidität nicht im Sinne der Allgemeinheit. Hier eine Balance zu finden, und das bei einer ob der gewählten Konstruktion ziemlich geladenen Opposition, dürfte keine leichte Aufgabe werden.

Sepp Schellhorn hält die Einbindung der Opposition für ein Placebo.
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Erste Scharmützel gab es bereits. Die Cofag erhält einen Beirat, dem Vertreter der Sozialpartner und der Parlamentsparteien angehören sollen. SPÖ, FPÖ und Neos verweigerten prompt die Entsendung eines Mitglieds und fordern stattdessen einen Unterausschuss im Parlament, der die Milliardenvergaben kontrollieren soll. Doch haben Politiker überhaupt etwas in einem Gremium verloren, das mit Krediten über 25 Millionen Euro befasst wird? Das hängt davon ab, wen man fragt.

Ja, sagt der Parlamentsexperte Werner Zögernitz: Es sei gut, wenn alle Parteien bei den Hilfen via Cofag-Beirat eingebunden seien. In Krisenzeiten müssten Politiker im staatspolitischen Interesse entscheiden. Das sieht der Ökonom Thomas Url anders. Für ihn ist es "eine heikle Angelegenheit", wenn Parteipolitiker Einblicke in Geschäftsgeheimnisse und Liquiditätsplanung großer österreichischer Betriebe erhalten. Die Verlockung sei da groß, relevante Informationen nicht zweckkonform zu verwenden, sagt der Forscher am Wirtschaftsforschungsinstitut. Kontrolle und Transparenz in Ehren, aber das gehe zu weit.

Steigbügelhalter

Ganz anders die Oppositionsvertreter, denen die Kontrolle nicht ausreichend ist. Für SPÖ-Mandatar Jan Krainer ist der Beirat in der Cofag "zahnlos", weil das Gremium Beschlüsse nicht verhindern, sondern nur verzögern könne. Sepp Schellhorn von den Neos spricht von einem Placebo, weil die ÖVP-dominierten Organisationen Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung und Landwirtschaftskammer in dem Gremium gemeinsam mit den Regierungsparteien die Mehrheit hätten. Und auch FPÖ-Finanzsprecher Hubert Fuchs will sich nicht "zum willfährigen Steigbügelhalter einer schwarz-grünen Klientelpolitik" machen lassen.

Krainer hält die Kontrolle durch den Beirat für zahnlos.
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Der Innsbrucker Rechtsprofessor Peter Bußjäger sieht in der Cofag-Konstruktion Vor- und Nachteile. Dass man keinen Rechtsanspruch auf Leistung hat, sei ein Nachteil, dass die Agentur als GmbH der parlamentarischen Kontrolle entzogen ist, komme der Regierung entgegen. Aber: Dafür könne die Cofag rasch handeln und flexibel reagieren.

Umgang mit Steuergeld

Wie immer der Konflikt mit der Opposition ausgeht: Für Unternehmen wäre es wichtig, dass die Geldspritzen rasch injiziert werden. Wobei hier schon auch grundsätzlich geklärt werden muss, ob gutes Steuergeld schlechten Firmen nachgeworfen werden soll.

Die Regierung kündigte da eine großzügige Linie an, allerdings steht der das EU-Beihilfenrecht entgegen, das Subventionen an angeschlagene Firmen untersagt. Hier gibt es EU-Kriterien, beispielsweise Verschuldungsgrad und das Verhältnis des Gewinns vor Abschreibung zu den Zinszahlungen, die einzuhalten sind. "Hier wird es zu großer Enttäuschung kommen, wenn Kreditanträge abgelehnt werden müssen", sagt ein Banker hinter vorgehaltener Hand. Ein Cofag-Aufsichtsrat hält dagegen: "Wir reden viel zu viel von Kontrolle, dabei geht es gerade um rasches Handeln, damit die Wirtschaft nicht zusammenbricht."

Banken in Zwickmühle

Die Geldinstitute haben noch ein Thema, das ihnen Kritik einbringt. Trotz staatlicher Garantie wollen die Banken Sicherheiten sehen. Selbst bei 100-prozentiger Staatshaftung gibt es Beispiele, bei denen private Bürgschaften und Nachrangerklärung gefordert werden. Das liegt daran, dass die Fördereinrichtungen des Bundes die Sorgfalt der Bank einfordern. AWS, ÖHT oder Kontrollbank können sich schadlos halten, wenn ein Geldinstitut ihnen die Haftung unterjubeln sollte.

Dass das Thema nicht aus der Luft gegriffen ist, lehrt die Geschichte. Bei der Megapleite des Baukonzerns Alpine geht es auch um Staatshaftungen, die die Republik nach der Finanzkrise übernommen hat und die dann schlagend wurden. Seit der Insolvenz prozessieren Banken und Bund gegeneinander. Einer der Vorwürfe: Die Geldinstitute hätten den Steuerzahler – salopp formuliert – durch sorglose Prüfung in die Haftung getrieben.

Wifo-Experte Url meint, dass die Banken nun gebrannte Kinder seien. Er erinnert an die US-Hypothekenkrise, als Ramschkredite gebündelt verkauft wurden und sich niemand um die Werthaltigkeit scherte. Darum begrüßt er es, dass die Banken ihren Beitrag leisten. "Da muss man den sauren Apfel halt mitessen", meint Url. (Renate Graber, Andreas Schnauder, 25.4.2020)