In Deutschland stehen zwei frühere syrische Geheimdienstmitarbeiter wegen Folter und Mord vor Gericht. Die Richter werden über ihre individuelle Schuld entscheiden. Gleichzeitig gehören die den Angeklagten zur Last gelegten Taten jedoch in den Kontext eines übergeordneten Unrechtsregimes, dessen Funktionsweisen und Befehlsketten in diesem Verfahren unweigerlich ausgeleuchtet werden – zumindest in dem kleinen Ausschnitt, der die Verbrechen der beiden Individuen betrifft. Insofern steht indirekt auch das Assad-Regime vor den Richtern.

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In Deutschland stehen zwei frühere syrische Geheimdienstmitarbeiter wegen Folter und Mord vor Gericht.
Foto: Reuters/Thomas Lohnes

Mit den Instrumenten der internationalen Gerichtsbarkeit kommt man derzeit aus politischen Gründen nicht weiter: Russland wird weder eine Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof noch die Einrichtung eines Sondertribunals zulassen. Genau deshalb ist die universelle Jurisdiktion nach dem Völkerstrafrecht so wichtig, die Staaten ohne direkten Bezug zu den Verbrechen tätig zu werden erlaubt. Auch Österreich agierte nach dem "Weltrechtsprinzip", als es im November 2018 die Ermittlung gegen syrische Regimeangehörige aufnahm.

Mehrere europäische Staaten haben Haftbefehle gegen hohe Funktionäre erwirkt. Dass dies in unmittelbarer Zukunft wahrscheinlich folgenlos bleiben wird, ist die eine, frustrierende Seite. Für die Opfer des Regimes ist es dennoch der einzige Strohhalm der Hoffnung, dass ihr Leiden – samt dem Tod Hunderttausender – nicht vergessen wird. (Gudrun Harrer, 24.4.2020)