Während Berlin auf eine Staatsbeteiligung schielt, ist man in Bern skeptisch. Wien legt sich noch nicht fest.

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Viele Köche verderben den Brei, heißt es. Manchmal lässt es sich freilich nicht vermeiden, dass mehrere um einen Topf stehen. So wie bei den laufenden Verhandlungen über staatliche Rettungspakete für die deutsche Lufthansa-Gruppe. Wie zuletzt bekannt wurde, sollen Deutschland, Österreich, die Schweiz und Belgien zusammen rund zehn Milliarden in den Topf werfen, um die Lufthansa-Gruppe samt AUA, Swiss und Brussels Airline vor der Pleite zu bewahren. Auf die kleineren drei Länder sollen insgesamt bis zu 1,5 Milliarden entfallen, wie Reuters von Insidern erfuhr. Konzernchef Carsten Spohr stimmte die Mitarbeiter am Freitag dennoch auf ein Sparpaket ein. Nach der Krise werde die Lufthansa um 10.000 Mitarbeiter weniger haben. Die Flotte werde um etwa 100 Flugzeuge schrumpfen, sagte er in einer internen Botschaft an die Mitarbeiter. Vor Ausbruch der Pandemie hatte der größte Luftverkehrskonzern Europas weltweit rund 130.000 Mitarbeiter und 760 Flugzeuge.

Die exakten Beträge und deren Aufteilung stünden noch nicht fest, hieß es. Dabei soll nicht der Eindruck entstehen, dass etwa Österreich über die Hilfe für die AUA hinaus der Mutter unter die Arme greift, betonen Involvierte.

Dass mehrere Staaten an einem Rettungspaket schnüren, ist nicht neu. Als nach der Finanzkrise die Dexia Bank mit Sitz in Brüssel und Töchtern im frankophonen Raum vor dem Aus stand, halfen Frankreich, Belgien und Luxemburg gemeinsam mit Staatsgarantien in Höhe von 90 Milliarden Euro. Die Bank war aber nicht zu retten. Eine Bad Bank und mehrere kleinere Institute wurden abgespalten. Die Staaten stiegen als Eigentümer ein, Luxemburg verkaufte seine Tochterbank. Von den ersten Staatsgarantien im Oktober 2009 bis zur Aufteilung des Instituts vergingen zwei Jahre. Frankreich und Belgien besitzen weiterhin die Dexia, deren Börsenwert sich über die Jahre nie mehr erholte.

Die damalige Situation lässt sich nicht direkt auf die heutige Krise der Luftfahrt übertragen. Schließlich steht der Wiederaufnahme des Reisebetriebs nichts im Weg, sobald die Pandemie eingedämmt wurde. Parallelen zeigen sich eher in der Schwierigkeit, nationale Interessen in Verhandlungen mit einem multinationalen Konzern in Einklang zu bringen. Das könnte den Prozess hinauszögern. Ein Indiz: Die AUA hat nach wie vor keinen Antrag auf Staatshilfe bei der zuständigen Finanzierungsagentur Cofag gestellt, wie deren Sprecher Alfred Autischer bestätigte. Allerdings wird von allen Beteiligten stets betont, dass die Gespräche noch in einer frühen Phase seien.

Dass ein Gesamtdeal für die Lufthansa und alle Töchter mit den vier involvierten Staaten geschlossen wird, ist unwahrscheinlich. Zu sehr unterscheiden sich die Anforderungen der Regierungen: Der Schweizer Bundesrat hatte zuletzt lediglich Garantien für die Swiss in Aussicht gestellt. Die Mittel dürften aber nicht aus der Eidgenossenschaft abfließen. An einer Beteiligung an der Lufthansa dürfte man in Bern wenig Interesse haben, wie Schweizer Medien berichten. Berlin und die Lufthansa haben eine Verstaatlichung zwar ausgeschlossen, die Zeichen deuten jedoch auf einen Teileinstieg der Bundesrepublik.

Eine Frage des Klimas

In Österreich schließt man eine Beteiligung an der AUA oder an der Lufthansa auch nicht aus. Infrastrukturministerin Leonore Gewessler (Grüne) legte sich dazu noch nicht fest. Als fixe Bedingung für Staatshilfen nannte sie, dass der Standort Wien abgesichert werde, sowie Klimavorgaben für die AUA.

Der Zeitdruck für die Verhandler steigt. Die AUA muss Ende April wieder eine positive Fortbestandsprognose vorweisen. An den Börsen wurde der Mutterkonzern am Freitag abgestraft. Investoren warten auf ein Hilfspaket.

Wie eingangs erwähnt, sehen Airlines trotz erwartbarer Rettungen Sparplänen entgegen. Auf die AUA dürfte eine Personalkostenreduktion von 20 Prozent zukommen, wie DER STANDARD erfuhr. Laufenden Verhandlungen bei der Konkurrenz lassen harte Bandagen erwarten.

Lohndruck bei Laudamotion

Der eher aggressive Vorstoß von Laudamotion auf Abschluss eines neuen Kollektivvertrags, der Gehaltskürzungen des fliegenden Personals in Wien von fünf bis 15 Prozent beinhalten soll, andernfalls man die Airbus-Flotte aus Wien abziehen und die 300 Mitarbeiter rauswerfen werde, stößt bei der Gewerkschaft Vida auf strikte Ablehnung. Von Drohung und Erpressung ist dort die Rede. Regelungen wie die von der Ryanair-Tochter angedachte werde man sicher nicht zustimmen, so ein Vida-Vertreter.

Die irische Billigfluglinie hat in Wien bereits vorgesorgt, sollten ihre Sparpläne nicht wie gefordert bis 21. Mai unter Dach und Fach sein: Seit März schon sind Boeing-Maschinen samt Personal in Wien; sie sollen ja, sollte der KV nicht zustande kommen, die Wiener Laudamotion-Airbus-Flotte samt Mitarbeitern ersetzen. Die Boeing-Crews kommen aus ganz Europa und arbeiten auf Basis von Einzelverträgen.

Die Airline-Industrie ist durch Corona im Umbruch. Soll der Staat große Airlines wie die AUA jetzt retten – und wenn, wie? Darüber diskutierten bei "Der STANDARD mitreden" am Donnerstag unter anderem Umweltministerin Leonore Gewessler und Ex-Infrastrukturminister und FPÖ-Chef Norbert Hofer.
DER STANDARD

Beim Kollektivvertragspartner Wirtschaftskammer hat man für den Vorstoß von Laudamotion Verständnis, ein Gespräch mit Vorstand Andreas Gruber habe es schon gegeben. Zwar räumt man ein, dass sich die Ryanair-Tochter aggressiv verhalte, aber man begrüße deren Vorhaben trotzdem, diene es doch dazu, Arbeitsplätze zu erhalten und das Unternehmen weiterführen zu können, wie ein Wirtschaftskammer-Funktionär erklärt. Die Gewerkschaft fordert einen Branchenkollektivvertrag, diese Lösung lehnt die Wirtschaftskammer ab. Wie berichtet könnte das Gehalt von Laudamotion-Flugbegleitern auf unter 800 Euro im Monat sinken.

Indessen will der Billigflieger Wizz Air die Corona-Pandemie überwinden. Bereits ab ab Mai sollen rund 20 Destinationen von Wien aus angeflogen werden, darunter Tel Aviv, Mailand und Valencia. Man werde den Markt mit "scharfen Preisen" stimulieren, sagte Wizz-Manager Stephen Jones. Der Preiskampf geht also weiter, während die Zukunft vieler Fluglinien in den Sternen steht. (Renate Graber, Leopold Stefan, 24.4.2020)