Hans Fricke ist ein Wissenschafter wie aus einem anderen Jahrhundert. Nicht umsonst nennt der Meeresbiologe, Verhaltensforscher und Tierfilmer neben Konrad Lorenz immer wieder den großen deutschen Forschungsreisenden Alexander von Humboldt als sein Vorbild. Während Forschende in der heutigen hochspezialisierten Wissenschaft meist nur an einigen wenigen Themen intensiv forschen, jagte Fricke im Laufe seiner langen Karriere allen möglichen spannenden Unterwasserrätseln nach: Er suchte nach den mysteriösen Laichplätzen der Aale ebenso wie nach dem Verbleib der Quastenflosser im Indischen Ozean oder nach Nazischätzen im Toplitzsee.

Seine Leidenschaft für die Unterwasserwelt entwickelte der 1941 geborene Fricke als Elfjähriger an einem Seitenarm der Elbe. Kaum erwachsen geworden flüchtete er aus der DDR, denn nur im Westen konnte er das Erforschen der Meere zu seinem Lebensthema machen. Wie groß seine Passion für das "blaue Universum" ist, mag man daran ermessen, dass er 1962 als Student mit dem Fahrrad bis ans Rote Meer und an die Grenze zum Sudan fuhr. Seit seinen Anfängen als Taucher hat er rund 10.000 Stunden unter Wasser verbracht, also deutlich mehr als ein Jahr.

In 20 spannenden Kapiteln durch ein abenteuerliches Forscherleben: Hans Fricke, "Unterwegs im blauen Universum". € 25,70 / 347 Seiten. Galiani, Berlin 2020
Foto: Galiani Berlin

Heimgenosse von Rudi Dutschke

Fricke studierte im Westberlin der 1960er-Jahre Biologie und nebenbei auch ein wenig Geschichte. Der ebenfalls aus der DDR geflohene Rudi Dutschke zählte zu seinen Zimmernachbarn im Studentenheim. Trotz der hochpolitisierten Zeiten entschied sich Fricke für die Unterwasserwelt – nicht zuletzt inspiriert durch die Filme des österreichischen Tauchpioniers Hans Hass und durch Frickes wissenschaftlichen Lehrmeister Konrad Lorenz, bei dem er immer wieder in Seewiesen in Bayern arbeitete.

Frickes eigene Karriere fand dann aber nur zu einem Teil in der Wissenschaft statt, obwohl er sich habilitierte und auch eine Honorarprofessur innehat: Fast alle seine großen Tauchexpeditionen wurden filmisch für Medienhäuser wie ZDF, Arte, BBC, National Geographic und große deutsche und internationale Magazine dokumentiert und ergo von diesen mitfinanziert. Dazu entstanden aber auch etliche Fachpublikationen in Fachzeitschriften von "Nature" abwärts.

Der Fluch des Toplitzsees

Sein vielleicht spektakulärster Coup waren die ersten Filmaufnahmen von Quastenflossern, einem 400 Millionen Jahre alten lebenden Relikt der Evolution, das man lange für ausgestorben hielt. Fricke forschte aber nicht nur in den Weltmeeren: Er setzte seine beiden Forschungs-U-Boote Geo und Jago auch in Alpenseen ein, die er erstmals auf diese Weise erforschte. So fand er im Toplitzsee neben dem Falschgeld der Nazis bis dahin unbekannte Einzeller, die ohne Sauerstoff leben können. Fricke war zudem bei der Bergung jenes Flugzeugs beteiligt, das 1989 unter ungeklärten Umständen und mit dem damaligen Sozialminister Alfred Dallinger (SPÖ) in den Bodensee stürzte.

Hans Fricke erzählt im Deutschen Museum aus seinem Forscherleben.
Deutsches Museum

Den Quastenflossern, dem Toplitzsee und der Bodenseebergung sind freilich nur drei von 20 Kapiteln in Frickes neuem Buch gewidmet, das noch einmal die Höhepunkte seiner Karriere als Biologe, Abenteurer und Filmemacher spannend Revue passieren lässt. Er erzählt auch von der selbst gebauten 26 Tonnen schweren Unterwasserstation im Roten Meer, von den Spurensuchen nach der U-Boot-Nordpolexpedition von Sir Hubert Wilkins 1931 oder von Nachforschungen im tiefsten Burgbrunnen der Welt.

Dazu lernen die Leserinnen und Leser auch alle möglichen faszinierenden Tiere kennen: neben dem Quastenflosser etwa noch den Schwefelmolly, den Amphiprion, die Pyjama-Nacktschnecke oder den Schleimfisch Runula.

Wie sich all diese abenteuerlichen Forschungen, die mitunter auch lesenswert scheiterten, in einem Wissenschafterleben ausgingen, bleibt das Geheimnis von Hans Fricke – eines Forschers wie aus einem anderen Jahrhundert. (tasch, 27. 4.2020)