Sie haben es doch noch nicht vergessen. Österreichs Versuche, nach den zahlreichen Infektionen deutscher und skandinavischer Urlauber in Ischgl den Tourismusmotor schon für diesen Sommer neu zu starten, sind in Berlin eher nicht auf ein erfreutes Echo gestoßen.

"Was ein Infektionscluster in einem beliebten Urlaubsgebiet in den Heimatländern der Touristen anrichten kann, haben wir bereits erlebt", sagte Außenminister Heiko Maas der Bild am Sonntag. Dass man im Sommer zu einer touristischen Normalität zurückkehren könnte, wie von Österreichs Regierung in den vergangenen Tagen öffentlich angedacht, halte er für unwahrscheinlich. "Ein europäischer Wettlauf darum, wer touristische Reisen zuerst wieder zulässt, führt zu unvertretbaren Risiken", sagte der SPD-Politiker.

Rückkehr zur Reisefreiheit

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte am Freitag ja eine Videokonferenz mit Amtskolleginnen und -kollegen aus sechs anderen Staaten abgehalten, die aus der Sicht Wiens das Coronavirus ebenso erfolgreich bekämpft hätten wie Österreich. Mit den Regierungschefs aus Neuseeland, Australien, Israel, Dänemark, Griechenland und Tschechien – die allesamt weniger Corona-Tote beklagen als Österreich – sei er übereingekommen, die Rückkehr zu einer Reisefreiheit zwar als Ziel zu sehen, so Kurz danach zurückhaltend – "aber wir werden das zunächst einmal mit unseren Nachbarn tun können".

Die Tourismusbetriebe würden nach der Corona-bedingten Durststrecke gern lieber heute als morgen loslegen.
Foto: APA/Gindl

Gemeint ist damit auch Deutschland, von dessen Bevölkerung sich Österreich noch immer sommerliche Tourismusimpulse erhofft. Die heimischen Hoteliers stehen jedenfalls in den Startlöchern, wenn auch eingedenk der Umstände mit einer kräftigen Prise an Vorsicht. Immerhin hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen deutlich signalisiert, dass die EU bei der Lockerung der Reisebeschränkungen stärker koordinieren will. Noch sind die Pensionen, Ferienwohnungen und Hotels aber ohnehin geschlossen.

Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) hat ein schrittweises Wiederhochfahren ab Mitte Mai in Aussicht gestellt, Details blieb sie schuldig. Die Betriebe müssten aber planen, sagt Martin Stanits, Sprecher der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV) dem STANDARD. Es gebe Sommerbuchungen zum Beispiel von deutschen Stammgästen, die seit Jahren in Kärnten urlauben. Nur wie damit umzugehen sei, wisse keiner. Bleiben die Grenzen zu, seien die deutschen Buchungen perdu, man hätte sie an Austrogäste verkaufen können.

Wieviele Gäste kommen und vor allem woher? Für den Sommer planen können die Betriebe derzeit nicht.
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Ein genauer Termin, wie lange die Grenzen dicht sein werden, wäre ehestmöglich hilfreich, sagt Stanits, der wie andere Touristiker auch auf die Bedeutung der deutschen Nachbarn für Österreich verweist: "Jeder zweite internationale Gast kommt von dort."

Dass nun ausgerechnet Maas trotz der heimischen Annäherungsversuche – Köstinger hat ja laut über bilaterale Vereinbarungen etwa mit Deutschland nachgedacht – sich so zurückhaltend äußert, ist für die Tourismusplaner ein schmerzlicher Rückschlag – und nicht zuletzt wohl auch dem Umstand geschuldet, dass die Tourismuswirtschaft hierzulande erheblich bedeutender ist als bei den Nachbarn.

Die Angst vor dem exponentiellen Wachstum

Die Haltung Berlins hat aber auch mit der speziellen Corona-Situation in Deutschland zu tun. Im Ringen mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer hatte sich die Regierung auf weniger strenge Lockdown-Maßnahmen festgelegt als Wien. Zwar haben sich in der Folge auch in Deutschland die Zahlen verbessert – sie liegen aber im Verhältnis noch immer über jenen in Österreich. Das Robert-Koch-Institut ging zuletzt von einer Reproduktionszahl aus, die nur knapp unter eins liege (Österreich: 0,63) – wenn es also nur zu einer leichten Zunahme der Ansteckungen komme, drohe das exponentielle Wachstum der Corona-Fälle in Deutschland wieder in Gang zu kommen. Die Regierung in Berlin sieht daher wenig Spielraum für weitere Öffnungen. (Manuel Escher, Regina Bruckner 27.4.2020)