Der saudische Aktivist Abdullah al-Hamid hat nichts mehr von der einschneidenden Reform im saudischen Strafrecht – der Abschaffung der Prügelstrafe – erfahren: Der Mitbegründer der Menschenrechtsorganisation ACPRA starb am Freitag 69-jährig in Riad im Gefängnis. Sein Verbrechen bestand im Wesentlichen darin, dass er eine Verfassung für das Königreich verlangt und, noch schlimmer, seine Mitbürger und -bürgerinnen (!) ermutigt hatte, ihre Rechte einzufordern.

Seine Probleme mit der Justiz begannen 2003, als noch niemand den Namen Mohammed bin Salman kannte. Der mächtige Kronprinz mit dem Spitznamen MbS spielte auch noch keine Rolle, als der Blogger Raif Badawi zehn Jahre später zu tausend Stockhieben verurteilt wurde. Für Badawi darf man nun hoffen, dass die Gefahr, erneut dieser grässlichen Körperstrafe ausgesetzt zu werden, gebannt ist. Was er tat, bleibt jedoch in Saudi-Arabien ein Verbrechen: Das System darf nicht infrage gestellt werden.

Heute ist es das System MbS. Um es nur "widersprüchlich" zu nennen, ist zu viel passiert, wie das unfassbare Hinmetzeln des Publizisten Jamal Khashoggi. Gleichzeitig gibt es unter MbS Reformen, die den religiösen Ultras im Lande wirklich wehtun: Manche von ihnen werden aus der Abschaffung der Körperstrafen sogar einen Affront gegen den Islam konstruieren. Und MbS wird sie ebenfalls einsperren – denn das ist sein System. (Gudrun Harrer, 27.4.2020)