Wer Vermögen hat, kommt leichter durch die Krise. Wer Cash hat, kann Vermögen aufbauen.

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Fünf, sieben, oder gar neun Prozent? Wie heftig die heurige Rezession ausfallen wird, ist unter Ökonomen umstritten. Einig ist man sich aber, dass die Wirtschaft nächstes Jahr einen guten Teil der Verluste aufholen wird. Trotzdem könnte die Corona-Krise zu dauernden Umverteilungen führen. Ein Überblick:

Vermögen: Die Krise wird nicht ohne Pleiten vorübergehen. Kurzfristig dürfte das die Verteilung von Vermögen in unseren Breiten etwas angleichen, sagt Andreas Peichl, Ökonom am Münchner Ifo-Institut. Denn Vermögensbewertungen werden tendenziell sinken – oder weniger stark ansteigen. Allerdings werde die Ungleichheit langfristig steigen, vermutet der Experte. Denn wenn Vermögenswerte sinken, heißt das auch: Investitionen werden billiger. Wer heute bereits auf viel Geld sitzt, kann Vermögen günstiger anhäufen – und etwa Unternehmen oder Immobilien erwerben. Die Reichsten werden noch reicher, sobald die Bewertungen dieser Anlagen wieder steigen.

Peichl erwartet aber nicht nur eine weitere Vermögenskonzentration im Inland. Auch ausländische Investoren könnten vermehrt nach europäischen Firmen oder Immobilien greifen. Es sei noch nie so einfach gewesen, an Chinesen zu verkaufen, wirbt etwa eine italienischen Plattform, auf der zahlreiche Immobilien, Hotels und Restaurants chinesischen Interessenten feilgeboten werden. In Österreich wird diskutiert, ob der Staat sich zum Schutz vor ausländischen Übernahmen an strategisch wichtigen Firmen beteiligen soll.

Strategisch wichtig: Die Bundesregierung verhandelt mit den Austrian Airlines (AUA) über ein Hilfspaket. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass der Staat im Austausch bei der Lufthansa-Tochter einsteigt.
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Auch Hanno Lorenz vom liberalen Thinktank Agenda Austria ortet die Gefahr ausländischer Übernahmen. Ob reiche Österreicher noch mehr Vermögen im Inland anhäufen, müsse man aber abwarten. Schließlich hätten die wenigsten Vermögenden ihr Geld "in Cash herumliegen, sondern selbst in ihren Unternehmen, in Wertpapieren oder Immobilien" investiert. (Wie Vermögen in Österreich verteilt ist, beschreibt DER STANDARD hier).

Auf der Verliererseite könnten jedenfalls auch die zehn Prozent der privaten Haushalte in Österreich stehen, die auf Schulden von mehr als 60.000 Euro sitzen – sofern ihre Einkommen wegen der Corona-Krise sinken. Diese Schulden sind meist mit einer Bedeckung abgesichert, in der Regel wird das eine Immobilie sein, sagt Thomas Url, Ökonom am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Er erwartet, dass der Preisdruck am Immobilienmarkt heuer nachlässt. Dass es einen regelrechten Preisverfall geben wird, glaubt er aber nicht.

Die Arbeiterkammer fordert eine Vermögensabgabe. Die Sozialdemokraten auch. DER STANDARD hat sich letztens angeschaut, ob eine solche Abgabe zur Finanzierung der Corona-Hilfen taugen würde.

Einkommen: Arbeitnehmer mit niedriger formaler Bildung sind eher arbeitslos als Akademiker. Dieser Trend hat sich hierzulande im März noch einmal verstärkt. Folglich schlägt sich die Corona-Krise negativ auf die Verteilung von Arbeitseinkommen nieder. Die Ungleichheit steigt. Da in Krisenzeiten aber auch Kapital- und Unternehmenseinkommen sinken, könne man noch nicht sagen, wie sich die Ungleichheit beim Gesamteinkommen entwickeln wird, sagt Ifo-Ökonom Peichl.

Einbußen beim Einkommen könnten in der zweiten Jahreshälfte durch niedrige Preise für Konsumgüter ein Stück weit abgefedert werden. Wifo-Ökonom Url ortet im heimischen Handel den Bedarf, die bereits vor der Corona-Krise gefüllten Lager zu räumen. Nicht nur Frühjahrsmode, auch langfristige Konsumgüter wie Fernseher oder Pkws könnten zu deutlich geringeren Preisen angeboten werden. Allerdings würden im zweiten Fall nur die Haushalte profitieren, die ausreichend verschuldungsfähig sind oder über finanzielle Polster verfügen, so Url. Also diejenigen, die eine festes und ausreichend hohes Einkommen haben.

Klasse leer. Manche Kinder werden mit Lernrückstand zurückkommen, wenn die Schulen wieder aufsperren.
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Chancen: Ob und wie sich die Corona-Krise auf die Verteilung von Chancen auswirkt, wird sich erst mittelfristig zeigen. Allerdings sehen Experten auch hier einen möglichen Anstieg der Ungleichheit. Erstens, weil mit der Arbeitslosigkeit auch die Armutsgefährdung im Land zunehmen dürfte. Wer von Armut bedroht ist, hat weniger Spielraum, sich weiterzubilden oder ein Jobangebot abzulehnen – also weniger Chancen.

Außerdem dürften die Schulschließungen die Perspektiven vieler junger Menschen schmälern. Vieles deute darauf hin, dass die Lernunterschiede während der Schulschließung gestiegen seien und besonders sozial schwächere Schüler weniger gelernt hätten, sagt Lorenz. Es bestehe durchaus die Gefahr, dass diese ungerechte Chancenungleichheit mit der Krise zunimmt. (Aloysius Widmann, 27.4.2020)