Wenn das Burgtheater und Co geschlossen sind, werden Kunstschaffende in den Wurzeln ihrer Existenz bedroht.

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Was Kunst kann: das offenlegen, was im Abgrund lauert. Das zeigen, was den Menschen zum Menschen macht. Die Brücke schlagen zwischen Fremdem und Vertrautem. Erfahrbar machen, was und wie andere empfinden. Wissen mit Gefühl vermitteln. Grenzen gnadenlos erschüttern, um die Erschütterung dazu zu nutzen, den Horizont zu weiten. Im Herzen der Finsternis noch ein Lächeln ermöglichen, ein Lachen wider die Gefahr.

In den Schlaf wiegen und zum Beben und Tanzen bringen. Durch Krisen lotsen bis zum Silberstreif am Horizont. Liebende zusammenbringen und Liebeskranke heilen. Die Erinnerung an Verschwindendes wachhalten, das berstende Innenleben Scherbe für Scherbe wieder zusammensetzen. Kunst ist gerade in Zeiten der Not eine Stütze, ein Leuchtfeuer in unruhiger Nacht, eine Ablenkung von der Sorge und ein Ort des Atemholens.

Bedrohte Existenzen

Diese mahnende, heilende, tröstende und begleitende Kunst lebt und schwingt durch die, die sie erschaffen. Und genau die Kunstschaffenden sind es, die gerade in den Wurzeln ihrer Existenz bedroht werden, wenn Bühnen und Museen geschlossen sind, wenn Konzerte ausfallen, wenn das Lesepult unbenutzt bleibt. Ein Land, das sich als Kulturnation feiert, muss konkrete Antworten auf all das finden. Dankesworte sind entschieden zu wenig. Was Kunst kann, ist vielfältig. Was Kunst gerade jetzt kann: vor die Hunde gehen. (Julya Rabinowich, 26.4.2020)