Christian Fiala, Mediziner, ist Sprachrohr radikaler Quarantänekritiker.

foto: reinhard mayr

Wien – Es gehe ihm um "evidenzbasierte Fakten" über das Coronavirus, wird der Allgemeinmediziner und Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Christian Fiala, dieser Tage nicht müde zu wiederholen. Vergangenen Freitag trat er als Redner bei einer untersagten, aber doch stattgefunden habenden und daher polizeilich aufgelösten Kundgebung von Gegnern der Anti-Corona-Maßnahmen in Wien auf, der sich radikale Verschwörungstheoretiker ebenso wie der Chef der rechtsextremen Identitären, Martin Sellner, angeschlossen haben.

Seitdem werde Fiala mit Anfragen überhäuft, sagt sein PR-Verantwortlicher Jakob Purkathofer. Er begleitet den Mediziner schon seit vielen Jahren – bisher in Konflikten in Abtreibungsfragen, bei denen sich Fiala, der in Wien und Salzburg Gynmed-Ambulatorien für Schwangerschaftsabbrüche betreibt, auch kein Blatt vor den Mund nahm.

Kritik an Vorhersagemodellen

Doch niemals zuvor hat sich der Arzt, der als Sohn von zwei nach Stuttgart ausgewanderten Österreichern geboren wurde, in einem Ausmaß wie jetzt exponiert – gegen eine Regierungspolitik, die angetreten ist, tausende Leben zu retten. Deren Ansage habe auf falschen mathematischen Modellen für Szenarien der Epidemieausbreitung basiert, sagt Fiala.

Ein Gesundheitswesen wie das österreichische wäre von Anfang an imstande gewesen, ohne Lockdown mit der Corona-Situation umzugehen.

Als Beleg für seine Behauptungen hat der 61-Jährige in einem Dokument Statistiken zusammengestellt, die die Erkrankungszahlen an Grippe und grippeähnlichen Infektionen miteinander vergleichen. Dem Coronavirus ordnet er dabei keine übermäßige Gefährlichkeit zu.

"Keine Übersterblichkeit" in Österreich

Aufgrund von Covid-19-Erkrankungen sei heuer in Österreich keine Übersterblichkeit zu befürchten, meint er etwa. Der von der Statistik Austria in der Osterwoche gemessene Anstieg von Todesfällen sei vielmehr "ein erster Hinweis, dass sich im Land ein gesundheitspolitisches Drama abspielt", weil andere Krankheiten nicht mehr therapiert würden.

Damit widerspricht Fiala der Mehrheitsmeinung unter Virologen, Epidemiologen und Statistikern in der Corona-Krise. Zum Zweifeln bringt ihn dieser Umstand nicht – was er mit einem doch etwas hoch gegriffen erscheinenden Vergleich begründet. Auch Ignaz Semmelweis, der im 19. Jahrhundert als Ursache des Kindbettfiebers mangelnde Hygiene im Kreißsaal erkannte, sei dafür in Bausch und Bogen abgelehnt worden. (Irene Brickner, 27.4.2020)


Ergänzt am Montag, 27.4.2020, 19:00 Uhr:

Wie jetzt in Zusammenhang mit dem Coronavirus kritisierte Christian Fiala ab den 1990er-Jahren auch viele der von der Forschung erbrachten Erkenntnisse zur Epidemiologie, Diagnose und Therapie von Aids.

Seine Argumentation war mit seiner nunmehrigen vergleichbar: eine von Experten angekündigten Katastrophe in Zusammenhang mit dieser sexuell sowie über das Blut übertragbaren und vom HI-Virus ausgelösten Erkrankung habe es nicht gegeben, es sei zu relativ wenigen Infektionen gekommen. Insbesondere Präventionsmaßnahmen ließen sich in ihrer Wirkung nicht nachweisen. 1997 veröffentlichte Fiala gemeinsam mit dem Journalisten Peter Michael Lingens ein Aids-kritisches Buch mit dem Titel "Lieben wir gefährlich? ".

Fiala stößt sich unter anderem amUmgang mit Aids in Afrika: Die Diagnose basiere dort auf einer eigenen Definition für Entwicklungsländer ("Bangui-Definition"), welche die Zahl der Erkrankten künstlich anhebe. In diesem Sinne beriet er unter anderem Thabo Mbeki, der als südafrikanischer Präsident (von 1999 bis 2008) die Existenz von Aids bestritt.

In Wahrheit ist die Aids-Pandemie bis heute nicht vorbei: Laut dem Programm der Vereinten Nationen für HIV/Aids (Unais) starben allein 2018 rund 770.000 Menschen an der Immunschwächekrankheit, 37,9 Millionen Menschen waren mit dem Hi-Virus infiziert.

Das ist ein Rückgang um 33 Prozent verglichen mit dem Jahr 2010 – bedingt unter anderem durch eine antiretrovirale Therapie, die bei richtiger Anwendung eine Übertragung des Virus verhindern kann. (bri)